Der Schatten des Highlanders
verzehrten, was Sunshine getragen hatte. Eigentlich wollte er nicht darüber nachdenken, was er eben gesehen hatte, aber er konnte nicht anders. Es gab keine Menschenseele, die Kleider aus einem derart feinen - und sonderbaren - Gewebe trug. Vielleicht war sie ja doch eine Hexe, und er war mit etwas so Überirdischem in Berührung gekommen, dass er es nicht unbeschadet überstehen würde.
Doch andererseits war er sich ziemlich sicher, dass es keine Hexe auf der Welt gab, die unter ihren Kleidern so schön war wie diese Frau.
Ein leises Pochen an der Tür hinter ihm ließ ihn aufschrecken. Er drehte sich um und sah eine seiner jungen Dienstmägde in seinem Schlafgemach stehen.
»Herr, kann ich Euch behilflich sein?«, fragte sie schüchtern. Cameron zwang sich zu einem beruhigenden Lächeln. »Bring mir etwas zu essen, Brianna, sei so gut. Zu essen und zu trinken. Und sieh nach Brice und schicke ihn zu mir, ja?«
Das Mädchen machte einen Knicks und verschwand. Cameron schaute ihr nach, dann wandte er sich wieder dem
Feuer zu. Es rauchte gewaltig, während die Flammen Sunshines Kleider zu verschlingen suchten. Cameron warf noch mehr Holz aufs Feuer. Er versuchte, nicht weiter auf den beunruhigenden Geruch zu achten, den der brennende Stoff verströmte, und wartete. Endlich hörte er hinter sich das verlegene Räuspern eines Mannes.
»Cameron?«
Cameron drehte sich um und lächelte. »War das deine Idee, Brice?«
Brice trat von einem Bein auf das andere. »Was genau meinst du?«
»Eine Frau zu ertränken, deren einziges Verbrechen es war, mit mir zu kommen und zu versuchen, Breacs Leben zu retten. Hast du dir das alles selbst ausgedacht oder war dir jemand dabei behilflich?«
»Äh«, setzte Brice an, »Gilly und Giric hatten ein ungutes Gefühl, und da begann auch ich, mich zu fragen, ob ...«
Cameron winkte ihn zu sich herein. Er stand neben dem Bett und wartete, bis sein Cousin bei ihm war.
»Sieh sie dir an«, sagte Cameron sanft. »Sieh dir an, wen du beinahe getötet hättest, nur weil du ein Narr bist.«
»Aber sie ist eine Hexe«, brach es aus Brice hervor.
Cameron packte seinen Cousin an den Haaren und zerrte seinen Kopf ganz nah zu Sunshines Gesicht hinunter. »Es gibt keine Hexen, du Tölpel«, knurrte er. »Nur hübsche Frauen wie die hier. Und wenn sie stirbt, dann stirbst du auch.« Er ließ Brice los und stieß ihn von sich. »Denk darüber nach. Und tritt mir nicht mehr unter die Augen, bevor ich sicher bin, dass sie nicht vor dir das Zeitliche segnet.«
Brice warf ihm einen hasserfüllten Blick zu und stampfte heftig fluchend aus dem Zimmer.
Jetzt war auf Cameron Hall wieder alles in Ordnung.
Cameron seufzte und verbannte den Cousin aus seinem Kopf. Es hatte keinen Sinn, noch einen weiteren Gedanken an den Kerl zu verschwenden, solange er nicht dazu gezwungen
war. Er zog einen Stuhl neben das Bett und legte seine Hand auf Sunshines Gesicht. Es war nicht kalt, also lebte sie noch, aber auch nicht heiß, was bedeutete, dass das Fieber noch nicht in ihr wütete. Sie atmete - das musste für den Augenblick wohl reichen.
Er zog ihr die Decken bis zum Kinn hinauf, ließ seine Hand auf ihrer Stirn ruhen und wartete.
Brianna kam mit einem Tablett zurück, das sie beinahe fallen ließ, als sie Cameron erblickte. Er sprang auf und griff danach, bevor es zu Boden fiel. Das Mädchen zitterte heftig. Cameron sah sie eine Weile lang an, dann schloss er die Tür mit einem Fußtritt.
»Was ist los, Brianna?«
Sie rang in ihrer Schürze die Hände. »Giric ...«, brachte sie kläglich hervor.
Cameron blickte auf das Tablett, das er in den Händen hielt, dann sah er Brianna an. »Soll ich die Suppe trinken?«
Sie nickte.
»Und den Wein?«
Sie wurde mit einem Mal blass.
Cameron stellte das Tablett auf dem Boden ab, dann deutete er auf den Stuhl. »Setz dich. Ich bin gleich zurück.«
Sie gehorchte und blickte stumm und mit angstgeweiteten Augen zu ihm auf.
Cameron griff nach dem Becher und ging los, um Giric zur Rede zu stellen. Er fand ihn am Eingang zur Küche, wo er gerade mit einem drallen Dienstmädchen schäkerte. Cameron drückte seinem Cousin den Wein in die Hand.
»Trink!«
Giric erbleichte. »Ich bin aber nicht durstig.«
»Und ich sage dir, du bist durstig«, entgegnete Cameron mit einer bedrohlich tiefen Stimme. »Trink, oder ich werde dir das Zeug selbst in den Rachen gießen.«
Giric griff nach dem Becher, dann fuhr er plötzlich zusammen. Der Becher glitt ihm aus der Hand
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