Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
schon die ganze Zeit über zwischen ihnen bestand und dass er selbst es verursacht hatte. Natürlich, der Händler wusste rein gar nichts über die Kopplung des Drachen mit dem Hierarchen. Elion war sehr darauf bedacht gewesen, sich als einfachen Reisenden auszugeben, den nur der Sturm vom Weg abgebracht hatte. Und wenngleich er von Melnyth und ihrem tragischen Tod erzählt hatte, so doch kein Wort über den Schattenbund, Gendival oder die laufende Mission. Tormon wusste nichts von der Existenz der anderen Wissenshüter, und im Gegensatz zu Toulac, die in diese Sache gegen Elions Rat und Willen hineingezogen worden war, wusste der Händler auch nicht, warum der fremde Reisende ihn in die Stadt begleitet hatte, denn er war in den Plan nicht eingeweiht.
Meine Güte! Er nimmt an, dass ich den ganzen Weg mitgekommen bin, um ihm bei der Rettung seiner Tochter zu helfen!, stellte Elion erschrocken fest. Was wird er sagen, wenn ich eingestehen muss, dass ich den Mann retten will, der seine Lebensgefährtin ermorden ließ? Und wie soll ich erklären, dass mir dabei zwei Frauen und ein Feuerdrache zu Hilfe kommen werden?
Er hatte wenig Zeit. Schon begannen die Leute in der Menge sich neugierig nach der sonderbaren Gruppe umzusehen, die aus zwei Soldaten der Gottesschwerter, einem mageren Jungen und einem zusammengewürfelten Haufen Pferdefleisch bestand. Elion holte tief Luft. »Tormon, würdest du mir vertrauen? Ich weiß, dass ich kein Recht darauf habe, weil ich eine Menge wichtiger Dinge vor dir geheim gehalten habe -«
Tormon war auf einmal ganz ruhig. »Das habe ich bereits erraten«, sagte er.
Elion geriet, bestürzt über diese Enthüllung, einen Augenblick lang ins Stocken. »Das war nicht meine Entscheidung«, log er. »Ich bin an einen Schwur gebunden und darf meine wahre Herkunft nicht preisgeben, und ebenso wenig eine Menge anderer Dinge. Aber da sind Entwicklungen im Gange, sehr wichtige -«
»Jenseits der Schleierwand?« Dem Ton nach zu urteilen, was das für Tormon nicht mehr fraglich.
Verdammt! Wie konnte er das erraten? »Genau«, antwortete er hastig. »Ja, das stimmt – aber, bitte, frag mich jetzt nichts weiter. Wir haben ohnehin keine Zeit. Hör zu: Ich kann nicht zulassen, dass der Hierarch geopfert wird. Das Leben eines Freundes hängt von ihm ab.«
Zum ersten Mal während dieses Gesprächs zeigte sich eine Regung auf Tormons Gesicht. »Willst du damit sagen, dass du diesen Bastard retten wirst?«, fragte er zornig.
»Es tut mir Leid, Tormon. Ich muss es tun. Aber es ist nicht so verrückt, wie es sich anhört. Ich habe einen Plan, und zwar -«
»Und du hast mich die ganze Zeit in dem Glauben gelassen, du kämest aus Freundschaft mit mir und würdest mir helfen, meine Tochter zu holen.« Der Händler wandte sich ab. »Gut, wenn die Dinge so stehen, will ich mit dir und deinem verdammten Plan nichts mehr zu tun haben. Ich hole Annas, dann verlassen wir diesen Ort so schnell wie möglich, und zwar für immer. Nie wieder setze ich auch nur einen Fuß in diese Stadt.« Er trieb sein Pferd an, doch dann kam er noch einmal zurück. »Eines will ich dir noch sagen. Eigentlich braucht es mich nicht zu kümmern, ob dein verrückter Plan gelingt. Aber wenn du die nächsten Stunden überlebst – denn obwohl ich von dir enttäuscht bin, Elion, wünsche ich dir nichts Schlechtes – sei auf der Hut vor Zavahl. Der Mann ist eine boshafte Schlange. Es wird ihm nicht das Geringste bedeuten, dass du ihm sein erbärmliches Leben gerettet hast. Wenn er kann, wird er dich benutzen, und wenn es ihm nützt, stößt er dir ein Messer auch in den Rücken. Sei also vorsichtig.«
»Warte!«, rief Elion. Noch einmal hielt Tormon die Zügel an. »Willst du mein Pferd mitnehmen? Bitte. Lass mir nur das Reittier des Soldaten zurück – der Junge mag die Stute behalten, wenn er will. Aber wenn hier ein Pferd im Versteck bereit steht, dann kann das für mich den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.«
Der Händler nickte. »Also gut. Sitz ab und gib Scall die Zügel -« Plötzlich hielt er inne. »Was wird aus dem Jungen?«
»Das überlasse ich dir. Er sollte jedenfalls nicht mit mir gehen«, antwortete Elion. Damit stieg er vom Pferd und verschwand in der Menge, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er wollte sich Tormons Abscheu, die ihm sicherlich anzusehen war, jetzt nicht stellen. Er war im Augenblick nicht besonders stolz auf sich, aber ganz gewiss nicht auf die gute Meinung eines anderen
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