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Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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dem Stall herauskam. »Was ist los?«, fragte er.
    »Der Fluss!« Rochalla keuchte. »Eine Flut …«
    »Wo ist Seriema?«
    »Fort. Sie wollte Tormon warnen. Ich konnte sie nicht aufhalten!« Schuldbewusst wurde ihr klar, dass sie es gar nicht versucht hatte.
    Presvel wurde bleich. »Sie wird umkommen!« Er rannte auf die Tür zu, aber Rochalla stellte sich ihm in den Weg. »Lass mich durch!« Er versuchte, sie zur Seite zu drücken, und sie rangen miteinander. »Ich muss ihr helfen!«
    »Nein, mach die Tür nicht auf. Es ist zu spät …«
    Krachend traf die Welle das Wachhaus, das unter dem Aufprall erzitterte. Rochalla zuckte zusammen, Annas klammerte sich stumm in ihre Röcke, während die Pferde wieherten und stampften. Presvel bebte am ganzen Leib, er drehte sich mit der Langsamkeit des Entsetzens zu ihr herum und flüsterte: »Meine Herrin, sie wird …«
    »Halt den Mund«, zischte Rochalla und deutete hastig auf das Kind, das sich verzweifelt an ihr festhielt. Durch das Fenster konnte sie zusehen, wie das Wasser über den Klippenrand floss. Der Weg würde überschwemmt werden, der Tunnel volllaufen. Tormon, Seriema und Scall würden fortgerissen werden und ertrinken – wie konnte es anders sein? Arme kleine Annas. Nun war sie eine Waise. Rochalla schnitt es ins Herz. Nun hatte sie schon so viele Verluste ertragen. Warum nur bewegte sie das Schicksal dieser Fremden, die sie kaum einen Tag gekannt hatte, so sehr? Doch so war es. Das Unglück hatte sie zusammengeschmiedet, machte sie fast zu einer Familie, wie sie schon eine hatte begraben müssen.
    Einen Moment lang füllten sich ihre Augen mit Tränen über den neuerlichen Verlust. Dann traf sie unvermittelt ein anderer Gedanke, und sie erschrak. Nur Tormon, Seriema und Scall hatten Gewalt über die Pferde. Presvel war bestenfalls ein mäßiger Reiter, und sie selbst hatte bis zum vorigen Tage noch nie im Sattel gesessen. Sie beide hatten sich einfach den anderen angeschlossen, darauf bauend, dass ihr Reittier bei den Kameraden bleiben würde, und hatten das Beste gehofft. Sie hatten die Ebene noch nie verlassen und wussten nichts von der übrigen Welt. Nur Tormon wusste, wohin die Reise gehen sollte. Er war als Einziger in der Gruppe außerhalb von Tiaronds Stadtgrenzen gewesen.
    Rochalla sah Presvel an, aber der ließ sich gegen die Wand sinken und verbarg das Gesicht in den Händen, der plötzliche Verlust Seriemas hatte ihn taumelig gemacht. In dieser gefährlichen Lage war selbst er verloren. Es hatte keinen Zweck, ihn Hilfe suchend anzublicken. Rochalla kreischte auf, weil ihr eiskaltes Wasser in die Schuhe lief.
    »Rochalla?« Annas zog an ihrem Rock. »Meine Füße sind ganz nass.«
    Die Überschwemmung war bereits im Raum, war unter der Tür hindurchgekrochen und stieg rasch an. Rochalla hob zitternd das Kind auf den Arm. Das Wasser stand schon knöcheltief. Was soll aus uns werden?, dachte sie verzweifelnd. Wohin können wir jetzt noch gehen? Was werden wir tun?
     
    Tormon, dessen ganze Aufmerksamkeit vollkommen auf den dunklen Fleck hinter dem Wasserfall gerichtet war, merkte nichts von Seriemas Kommen, bis sie ihn am Arm fasste. Das Tosen des Wasserfalls schien noch lauter geworden zu sein, denn er musste es ihr fast von den Lippen ablesen. Doch allein ihr Gesichtsausdruck sagte ihm alles, was er wissen musste. Sie waren in ernsten Schwierigkeiten. Unwetter in den Bergen. Hochwasser. Annas! Tormon gefror das Blut in den Adern. Er fuhr herum, um zurückzulaufen, doch er wusste im selben Moment, dass es dafür zu spät war. Schon an einem Dutzend Stellen entlang der Felswand strömte schlammiges Wasser herab. Gleich würde es den Weg hinunter und in den Tunnel fließen.
    Tormon packte Seriema bei der Hand. »Wir müssen rennen!« Aber hinter dem Wasserfall konnte niemand rennen. Obwohl äußerste Hast geboten war, waren sie gezwungen, sich dicht an die Wand gedrückt voranzutasten. Tormon schrak vor der bloßen Kraft dieser Wasserwand zurück, die, seit Scall gegangen war, merklich zugenommen hatte.
    Als sie in den dunklen Tunnel hineinflohen, zog Tormon Seriema sofort weiter. »Dort hinauf«, schrie er. »Klettern!« In dem schwachen Licht, das in den Eingang fiel, war an der rechten Wand eine rostige Leiter zu erkennen, die zu einem Metallsteg unter der gewölbten Decke führte. Ohne zu zögern, band Seriema sich die Röcke hoch und stieg hinauf. Das Wasser im Tunnel reichte bereits bis zu den Knien, und die Kraft der Strömung drohte Tormon die

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