Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
Kind, wenn wir eins haben werden, oder jemand anderes.«
Seriema atmete einmal tief durch. »Wenn er es jemals auf dich abgesehen hat, werde ich ihn eigenhändig umbringen«, sagte sie grimmig – dann schüttelte sie den Kopf. »Hör dir das an! Als ob ich wüsste, wie man das anstellt!« Sie schmiegte sich in seine Armbeuge. »Ich weiß, dass du Recht hast, Cetain. In meinem Herzen habe ich längst gewusst, dass wir Presvel nicht lebend zurückbringen. Aber es braucht wohl seine Zeit, bis die Wahrheit ins Bewusstsein vordringt.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Und ich kann nicht anders, als um den Mann zu trauern, den ich gekannt habe«, schloss sie mit erstickter Stimme.
Cetain hielt sie an sich gedrückt. »Ich hätte dich eigentlich nicht mitnehmen dürfen«, sagte er. »Das war purer Eigennutz. Mir war es wichtig, dass du daran teilnimmst. Ich will nicht, dass du etwas mit Presvels Tod zu tun hast, aber er hat zu deinem Leben gehört, und um unserer Zukunft willen sollst du dich nicht ewig fragen müssen, ob ich etwa an dem Lynchmord deines besten Freundes beteiligt gewesen bin. So ein Zweifel würde an uns nagen und langsam zersetzen, was wir aneinander haben. Dabei zu sein ist zwar hart für dich, aber wenigstens wirst du wissen, was geschehen ist und warum, und du wirst dich nicht dein Leben lang mit Fragen quälen.«
Seriema wischte sich die Augen mit dem Handrücken. »Ich verstehe«, sagte sie, »und du hast Recht, wenn es auch nicht leicht für mich ist, das mitzuerleben.«
»Ja, das Leben kann manchmal sehr grausam sein.« Er küsste sie sanft. »Aber es hat auch seine schönen Seiten. Wir sollten jetzt versuchen zu schlafen, ja? Morgen um diese Zeit ist hoffentlich alles vorbei.«
Das Letzte, was Seriema vor dem Einschlafen sah, war die einsame Gestalt Tormons, der die Arme um die Knie geschlungen dasaß und vor sich hin starrte. In diesem Augenblick wusste sie ohne jeden Zweifel, dass sie das Richtige taten.
Als der bleiche Morgen über den Bergen heraufdämmerte, wusch sich Rochalla so gut es ging mit kaltem Wasser aus der Küche und wünschte, sie könnte auch die Erinnerung an Presvels ekelhafte Berührungen fortwaschen. Diese Nacht war die schlimmste ihres Lebens gewesen, aber es wäre noch viel schlimmer gewesen, hätte sie nicht jene harten Jahre als Hure verbracht, um ihre Familie über Wasser zu halten. Damals hatte sie gelernt, sich innerlich davon abzuwenden, was mit ihrem Körper geschah, ganz gleich wie widerlich es war.
Als Derla starb, habe ich mir geschworen, so lange ich lebe, nie wieder bei einem, Mann zu liegen, den ich nicht liebe. Ich habe den Eid gebrochen, als ich mich Presvels Schutz überließ, weil ich allein war und Angst hatte. Doch ich habe kaum ahnen können, dass ich eines Tages die Hure für ihn spielen muss, um mein Leben zu retten, und das eines kleinen Kindes.
Presvel war draußen gewesen, um nachzusehen, ob die Pferde die Nacht gut überstanden hatten. Er wusste, dass sie nicht fliehen würde – nicht solange Annas in dem Zimmer eingeschlossen war und er den Schlüssel in der Tasche trug. Sie hörte seine Schritte und richtete hastig ihre Kleider. Er war in der Nacht unersättlich gewesen, und sie wollte ihn kein Fleckchen Haut sehen lassen, das seine Lust aufs Neue entzünden könnte.
Er kam pfeifend herein. »Alle fertig zum Abmarsch?«, fragte er. Sie konnte nicht glauben, wie gut sie ihn getäuscht hatte. Er wollte so verzweifelt gern glauben, sie hätte Verlangen nach ihm, dass er keinen Augenblick stutzte und überlegte, wie sie über einen Mann denken könnte, der einen Mord begangen und nun sie und ein kleines Kind mit Gewalt entführt hatte.
Aber er wird mir niemals ganz vertrauen, dafür ist er dann doch zu schlau. Außerdem würde das schon seine heftige Eifersucht nicht erlauben, auch nicht unter den günstigsten Umständen. Doch je mehr ich ihn dazu bringen kann, in meiner Gegenwart gelassen zu sein und sich glücklich und geliebt zu fühlen, desto eher wird seine Wachsamkeit nachlassen, sodass die Gelegenheit kommt, wo Annas und ich fliehen können.
Sie setzte ein freundliches Lächeln auf und drehte sich zu ihrem Peiniger um. »Lass mich nur Annas etwas zu essen geben und sie anziehen, dann sind wir gleich unterwegs. Ich freue mich schon darauf, Tiarond wiederzusehen.«
»Ach – natürlich. Hier, du wirst den Schlüssel brauchen.«
Als sie den Schlüssel nahm, merkte sie, dass Presvel zu sehr mit eigenen Belangen
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