Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
beschäftigt war, um an das Kind zu denken. Während sie die Treppe hinaufstieg, dachte sie, dass sie alles tun würde, um die Kleine vor ihm zu beschützen. Sie war sogar willens, sich zu erniedrigen und zu lügen, bis sie dunkelrot im Gesicht wäre. Sie hoffte nur, dass ihre Täuschung Früchte trug. Sonst sah sie keinen anderen Ausweg.
Ich muss durchhalten und hoffen, dass Hilfe unterwegs ist. Sonst schaffen wir es nicht. Früher oder später kriegen uns die Bestien – oder Presvel bringt uns um.
Auf der anderen Seite der Schleierwand hatten etliche Leute ihr Lager aufgeschlagen. Amaurns kleine Streitmacht aus der Schattenbundsiedlung war die ganze Nacht hindurch zäh geritten und kurz vor Morgengrauen bei der Schutzhütte angekommen. Nun gönnten sie sich ein paar Stunden Rast, nicht nur um ihrer selbst, sondern auch um der Pferde willen, ehe sie sich nach Callisiora zurückwagten. Gewöhnlich war der Weg über den Schlangenpass zu dieser Jahreszeit schlecht, aber in Scalls Weltbeobachtungsgerät war zu sehen gewesen, dass er noch nicht verschneit war. So hatten sie beschlossen, den kürzeren Weg zu nehmen, der sie bis zum Mittag ans Ziel brächte, anstatt weiter südwestlich durchs Land der Rotten zu ziehen und dann den Steilhang zur Ebene hinauf zu müssen.
Der Morgen zog so kalt, grau und feucht herauf, als reichte Callisioras schlechtes Wetter schon durch die Schleierwand. Um der Behaglichkeit willen und um an diesem düsteren Tag die Stimmung zu heben, zündeten sie Feuer an, aber auch um zu kochen und sich aufzuwärmen. Die Leute ließen sich müde daran nieder, überprüften ihre Ausrüstung oder plauderten leise und genossen die Unterbrechung der Reise so gut es ging.
Die Schar war recht groß, wie Toulac fand, als sie zwischen ihnen umherschlenderte. Blank – Amaurn, verbesserte sie sich – war selbst mitgekommen und hatte für die Zeit seiner Abwesenheit dem alptraumhaften Maskulu die Verantwortung übertragen. Im Augenblick war er in der Schutzhütte, wo Kalt, der andere Neuling im Schattenbund, seine Verletzungen untersuchte. Veldan, die noch immer leise missbilligte, dass der Archimandrit persönlich dabei war, hatte sich zu ihnen gesellt, und wo sie hinging, war natürlich auch Kaz nicht weit. Er passte zwar nicht in das kleine Steinhaus, saß aber draußen, nur durch die Mauer von seiner Partnerin getrennt.
Elion saß an einem der Lagerfeuer und unterhielt sich mit der eigentümlichen Partnergemeinschaft Aethon und Zavahl. Auch Scall saß dort, hielt aber etwas Abstand. Elion mochte ein alter Freund sein, doch die Gegenwart des einstigen Hierarchen von Callisiora schüchterte den Jungen zu sehr ein, als dass er sich ungezwungen bewegen konnte.
Eine Gruppe von acht Wissenshütern, die die alte Söldnerin nicht kannte, saßen um ihr eigenes Feuer. Sie waren einander vorgestellt worden, bevor sie losritten, aber es waren zu viele Namen, um sie alle im Kopf zu behalten. Der Einzige, dessen Name sie behalten hatte, war der Anführer der Gruppe, ein fröhlicher junger Mann mit schulterlangen blonden Haaren und einem eigenartigen Gerät, das er sich auf den Rücken geschnallt hatte und das eindeutig eine Art Waffe war. Er hieß Kher, und seine Gruppe, einige handverlesene Bogenschützen, Kämpfer und Sprengstoffkundige, hatte die wenig beneidenswerte Aufgabe, sich in das Herz der Stadt zu schleichen und den Tunnel, der in den Heiligen Bezirk führte, zu sprengen.
Was Elion, Kaz und Veldan bei ihrem unglücklichen Streifzug ins Land der Ak’Zahar ausgespäht hatten, ließ vermuten, dass die Räuber immer dicht beieinander schliefen und je mehr sie dabei waren, desto besser schien es ihnen zu gefallen. Die Berichte von Elion, Scall und Amaurn, die die Stadt als Letzte verlassen hatten, wiesen darauf hin, dass die Bestien sich in eben jenem Tunnel niedergelassen hatten, weshalb beschlossen worden war, dass eine einzige Sprengung die Bedrängnis durch die Ak’Zahar beenden könnte. Denn wenn die Schleierwand erst einmal wiederhergestellt war, würden die Scheusale nicht mehr von Norden her eindringen können. Das Unternehmen könnte bei Tage ausgeführt werden, während die Biester schliefen, und die Sprengladungen waren auszulegen, ohne dass man sie aufschreckte. Zu diesem Zweck hatte Amaurn eine Geheimwaffe mitgenommen, deren Beschaffenheit er sich weigerte preiszugeben, selbst Veldan gegenüber, was sie sehr ärgerte.
Die Söldnerin schritt auf dem frischen Gras hin und her, um die
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