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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Gelassen. Selbstverständlich.
    Bert spürte, wie sich die Härchen in seinem Nacken aufstellten. »Über …«
    »… den Schattengänger. Ja.«
    Bert starrte sie ungläubig an. Und wenn du das Unglück heraufbeschwörst?
    »Die Angst wird kleiner, nachdem ich sie in ein Stück Literatur verwandelt habe, verstehen Sie?«
    Bert nickte. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Schreiben hat viel mit Überleben zu tun«, sagte sie langsam und wie zu sich selbst. »Ohne meine Worte wäre ich längst tot.« Ihr Blick ließ ihn los. Sie sah traurig aus und irgendwie kleiner als in Wirklichkeit.
    Und wenn du ihm damit das Gefühl gibst, Gott zu sein?  Bert hatte mehr als eine Katastrophe kommen sehen. Und sie nicht aufhalten können. Die Verwüstungen, die sie angerichtet hatten, waren irreparabel gewesen.
    »Lassen Sie die Finger davon«, bat er leise. »Bitte.«
    Sie runzelte die Stirn. Ihr Blick kehrte zu ihm zurück. »Er hat mir mein Selbstbewusstsein genommen und meine Sicherheit und die Nähe zu allem, was mir wichtig ist. Wenn er es auch noch schafft, mir das Schreiben zu nehmen, dann hat er gewonnen. Ich denke nicht daran, klein beizugeben.«
    Ihre Haltung beeindruckte Bert, obwohl er bezweifelte, dass sie ihr helfen würde. »Das Wort als Waffe?«, fragte er.
    »Als Schutzschild«, antwortete sie und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
     
    »Ich dachte, du wärst mit Luke verabredet.«
    Merle war gerade damit beschäftigt, sich ein Abendessen zuzubereiten. Rührei mit Pilzen und Tomaten, eines ihrer Lieblingsgerichte. Sie guckte mir ins Gesicht, schaltete das Gas ab und drehte sich seufzend zu mir um.
    »Spuck’s aus. Was ist los? Habt ihr Krach?«
    Ich setzte mich aufs Sofa, wo Julchen schon schnurrend auf mich wartete. Zufrieden rieb sie den Kopf an meinem Arm.
    »Luke arbeitet für meine Mutter.«
    »Wie bitte?«
    »Meine Mutter hat ihn vor ihrer Abreise für ihren Bürokram eingestellt.«
    »Was?«
    »Bist du taub? Er ist sozusagen ihr Sekretär!«
    »Dein Luke?«
    »Mein Luke?« Ich schnaubte abfällig. »Das ist noch die Frage.«
    »Jetzt mal langsam.« Merle stieß sich vom Herd ab und setzte sich an den Tisch. »Deine Mutter hat Luke als Sekretär eingestellt und du hast nichts davon gewusst?«
    »Haargenau.« Meine Lippen zitterten. Ich presste sie zusammen, damit Merle es nicht merkte.
    »Und weiter?«
    So war Merle. Sie stocherte nicht im Trüben, brauchte immer eine Perspektive, blickte immer nach vorn. Anders konnte man die Arbeit für den Tierschutz wohl auch nicht überleben.
    »Ich … bin einfach abgehauen. Ich hab ihn fast noch umgefahren.«
    »Wen? Luke?«
    Ich sah ein, dass Merle aus meinem Gestammel nicht schlau wurde, und erzählte ihr die ganze Geschichte von Anfang an.
    »Und deswegen die Aufregung?« Merle stand auf und kehrte an den Herd zurück. »Magst du auch was?«
    »Keinen Hunger.«
    »Jetzt komm mal wieder auf den Teppich, Schätzchen.« Sie blitzte mich angriffslustig an. »Es gibt wahrscheinlich eine ganz einleuchtende Erklärung.«
    »Da bin ich aber gespannt.«
    »Vielleicht … vielleicht wollte Luke nicht, dass du denkst, er hätte sich bloß mit dir angefreundet, weil du die Tochter von Imke Thalheim bist.«
    »Dann hätte er den Job ja sausen lassen können.«
    »Vielleicht wollte er nur den richtigen Zeitpunkt abpassen, um es dir zu erzählen.«
    »Und wann wäre der gewesen? Am Sankt-Nimmerleins-Tag?«
    »Könnte auch sein, dass er gar nicht wusste, dass Imke Thalheim deine Mutter ist. Schließlich trägst du den Namen deines Vaters und posaunst die Irrungen und Wirrungen in deiner Familiengeschichte nicht gerade bei jeder Gelegenheit aus.«
    »Weißt du, wie wenig wahrscheinlich so ein Zufall ist?«
    »Willst du nicht doch mitessen?« Merle zeigte anklagend mit dem Pfannenwender auf mich. »Du siehst aus, als könntest du einen Happen vertragen.«
    Und wenn Luke wirklich keine Ahnung von unseren Verwandtschaftsverhältnissen gehabt hatte? Vergeblich versuchte ich, mich zu erinnern, ob ich ihm jemals von meiner Mutter erzählt hatte. Über meine erste Liebe wusste er Bescheid und dass meine Eltern geschieden waren. Aber hatte ich ihm erzählt, dass meine Mutter Krimis schrieb?
    Und was das Gesetz der Wahrscheinlichkeit betraf - hatten Merle und ich es nicht schon mehrfach außer Kraft gesetzt?
    Im Schrank war kein Geschirr mehr. Ich nahm zwei Teller aus der Spülmaschine und wischte sie unter fließendem Wasser ab. Ich hatte wirklich einen Bärenhunger. Die Übelkeit hatte

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