Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schattenjäger (German Edition)

Der Schattenjäger (German Edition)

Titel: Der Schattenjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
Vom Netzwerk:
auf mich hören wirst«, sagte Mr Kessler resigniert. »Mordechai, ich als dein älterer Bruder fühle mich verpflichtet, dich vor deiner eigenen Verrücktheit zu schützen. Ehrlich gesagt, ich finde diese Idee grausam.«
    Mordechai sah seinen Bruder voller Mitgefühl an. »Wirklich, Danny, ich bin gerührt.«
    »Dann nimm meinen Rat an und vergiss diesen verrückten Plan!«
    »Nein«, widersprach Mordechai munter, »aber es ist nett von dir, dass du dich um mich sorgst.«
    »Und die Mädchen?«, fragte Beka, die überhaupt nicht überzeugt war. »Was sollen die tun, nachdem du ihnen gestanden hast, dass du ein mittelloser Revolutionär bist?«
    »Na, die geben mir den Laufpass, verlieren ihre Illusionen von der romantischen Liebe und wenden sich den ehrenwerten Junggesellen zu, die ihre Eltern schon für sie ausgesucht haben.«
    Mrs Kessler verdrehte die Augen und rang die Hände, doch Beka ließ sich nicht so rasch abspeisen. »Und wenn sich nun ein Mädchen wirklich in dich verliebt?«, bohrte sie weiter. »Wenn sie dich, nachdem sie erfahren hat, dass du ein armer Revolutionär bist, weiterhin heiraten will?«
    Mordechai sah aus wie vom Donner gerührt. An diese Möglichkeit hatte er offenbar noch gar nicht gedacht. »Ja dann«, sagte er schließlich, »dann muss ich sie wohl heiraten.«
     
    Wenig später machte sich Saschas Mutter mit einer Tasse Suppe auf den Weg zu einer kranken Nachbarin und sein Vater widmete sich ganz den Abendzeitungen. Sascha hätte auch gern Zeitung gelesen, aber er konnte sich nicht konzentrieren. So verfiel er wieder in Sorge, was für ihn rasch zur Gewohnheit geworden war.
     
    Ein heftiges Pochen an der Tür riss ihn aus seinen schwarzen Gedanken.
     
    »Ich geh schon!«, sagte er gleich und schlich sich durch das Zimmer der Lehrers. Er glaubte, Wolf stehe mit dem Kündigungsschreiben vor der Tür. Doch als er nach einigem Zögern die Tür öffnete, wartete nicht Inquisitor Wolf auf ihn, sondern Dopey Benny Fein. Benny schaute sich ängstlich im Treppenhaus um, als fürchte er, seine Mutter könnte die Treppe herabkommen und ihn holen. Dann huschte er über die Schwelle, warf die Tür hinter sich zu und stand einfach nur da, verlegen seine Hutkrempe knetend.
    »Kann ich etwas für Sie tun, Benny?«, fragte Sascha.
    Aber Benny antwortete nicht. Er war viel zu beschäftigt, über Saschas Schulter hinweg in die Wohnung zu schauen. Zuerst wanderten seine Augen in alle Ecken des vorderen Zimmers. Dann drang sein Blick in die Küche vor, ging aber immer wieder zu den Haufen halb fertiger Hemden und Blusen zurück, als ob jeden Augenblick jemand aus ihnen hervorspringen könnte.
    »Suchen Sie jemanden?«, fragte Sascha. Doch es war, als würde er mit der Wand sprechen.
    Danny und Mordechai Kessler schauten erstaunt von ihren Zeitungen auf, als Benny in die Küche trat.
    »Hallo, Benny«, begrüßte ihn Saschas Vater. Er gehörte zu den wenigen Leuten im Viertel, die mit Benny noch wie mit einem ganz normalen Mann redeten. Die anderen fürchteten sich vor ihm, seit aus Mrs Feins übergewichtigem, leicht verwirrtem Jungen der Schlimmste aus Meyer Minskys Schlägertruppe geworden war.
    »Äh, guten Abend, Mr Kessler«, sagte Benny höflich. Und dann nickte er Mordechai zu, der seinerseits nickte, sich förmlich gab und hinter seine Zeitung zurückzog.
    »Nimm dir doch einen Stuhl«, forderte ihn Mr Kessler auf. »Und probier den Kuchen, wenn du schon da bist. Früher hast du Ruthies Kuchen immer gemocht.«
    Doch Benny hatte anderes im Sinn. Wieder reckte er den Hals und schaute in alle Ecken. Was immer er auch suchte, als Nächstes hätte er Schranktüren oder Konservenbüchsen öffnen müssen, um fündig zu werden.
    »Suchst du jemanden?«, fragte ihn Mr Kessler.
    »Nein, ich, äh …« In seiner Verlegenheit wandte sich Benny schließlich an Sascha. »Kann ich dich einen Augenblick sprechen?«
    »Aber selbstverständlich, Benny.«
    »Vertraulich!«, flüsterte Benny, aber so laut, dass man es noch im nächsten Häuserblock hörte.
    Sascha folgte Benny in das angrenzende Zimmer und lauschte, zunehmend verwirrt, den ausufernden Erklärungen, die Benny von seinen finanziellen Verhältnissen und seinen beruflichen Aussichten bei Magic Inc. gab. Anfangs klang es so, als wollte Benny sich um Aufnahme in einen elitären Country Club bewerben, wo man ihn gewiss nicht als Mitglied akzeptiert hätte. Doch nach und nach begriff Sascha, dass Benny sich um Aufnahme in die Familie Kessler bewarb –

Weitere Kostenlose Bücher