Der Schattensucher (German Edition)
aus, als habe er eine schwere Schlacht hinter sich. »Wenn mein Sohn es für richtig angesehen hat, sein Leben für deines zu riskieren, dann ist das der Maßstab, an dem ich dich messe.«
»Aber meinetwegen konnte er nicht seinen Kampf gegen die Seuche beenden und sie besiegen.«
»Darüber bin ich unendlich traurig. Aber das hat nichts mit dir zu tun.«
Levin erhob sich und trat gegen die Wand. »Ich verstehe es nicht! Bist du blind? Siehst du nicht, was ich mein ganzes Leben getan habe?!«
»Ich sehe, was du jetzt tust. Das ist entscheidend.« Endlich zeigte sich so etwas wie ein Lächeln auf Thanos’ Gesicht. »Es fällt dir ziemlich schwer zu akzeptieren, dass nicht du selbst dein Schicksal bestimmt hast, nicht wahr? Tja, so ist das nun mal.«
»Und wenn ich jetzt zum Fenster hinausspringe?« Levin sah mit leeren Augen hinunter.
»Nur um zu spüren, dass du immer noch selbst entscheiden kannst? Ich dachte, du hättest schon entschieden. Sonst wärst du nicht hier oben, sondern würdest mich gefesselt zu Gereon führen.«
Levin antwortete nicht. Er machte ein paar Schritte die Mauer entlang und trug einen inneren Kampf aus. Eigentlich hatte er in dieser Nacht keine Kraft mehr für weitere Kämpfe. Irgendwann blieb er stehen und sagte: »Ich habe dir alles erzählt, was ich zu erzählen hatte. Es wird Zeit, dass ich gehe.«
»Wenn das so ist, dann will ich dich nicht aufhalten. Wir sind quitt«, sagte Thanos.
»Es wäre schön, wenn mir deine Wachen ein bisschen Vorsprung ließen.«
»Keiner wird erfahren, dass du hier warst.«
»Danke.« Levin zögerte. »Und was wirst du jetzt tun?«
»Diese Frage kann ich dir beantworten«, sagte plötzlich eine Frauenstimme an der Treppe. Elena richtete ihre Armbrust auf Thanos. Ihre Körperhaltung und ihr Blick drückten eiserne Entschlossenheit aus.
»Elena! Nicht!« Er eilte auf sie zu, Elena zielte auf ihn und blickte ihn scharf an.
»Wage es nicht, noch einen Schritt näher zu kommen!«
Levin blieb stehen.
»Endlich hast du mich erwischt, wie?«, sagte Thanos ruhig.
»Du wirst für alles bezahlen, was du mir angetan hast.« Damit richtete sie die Waffe wieder auf Thanos.
Levin stellte sich vor den Grafen. »Du wirst ihn nicht töten.«
»Geh aus dem Weg! Du hast nichts mit dieser Sache zu tun!«
»Elena! Du weißt nicht, was du da tust. Du irrst dich in ihm.«
»Ausgerechnet dir sollte ich noch etwas glauben? Geh aus dem Weg!«
»Nein!«
»Dann bist du ein toter Mann.« Sie zog den Finger fester um den Auslöser.
»Ja, schieß auf mich. Dann ist der Pfeil vergeudet und Thanos wird dich überwältigen.«
»Geh endlich zur Seite! Ich meine es ernst.«
»Ich werde nicht gehen«, sagte er ruhig. Er fixierte sie mit den Augen. Nur ein kalter Blick kam zurück. Ihr Hass und ihre Entschlossenheit lagen offen darin. Levin merkte kaum, wie Thanos hinter ihm aufstand. Sanft legte er ihm die Hand auf die Schulter.
»Ich danke dir, Levin. Aber ich kann nicht immer von anderen beschützt werden.« Er trat aus der Deckung. Elena zielte auf seine Brust. »Hier bin ich, Elena.«
Levin schüttelte den Kopf und blickte abwechselnd von Thanos zu Elena. »Glaube mir, Elena, du wirst es bereuen. Thanos darf nicht sterben. Komm zu dir!«
»Sei endlich ruhig!«, sagte sie und warf Levin das Seil hinüber, das sie um ihre Schulter gehängt hatte. »Hier. Das hast du unten vergessen.«
»Was soll ich damit?«
»Ich habe keine Ahnung, weshalb ich das tue. Du hättest wer weiß was verdient. Aber ich gebe dir verdammt noch mal genau diese eine Chance. Dort unten ist das Dach der Meskanhalle. Du wirst jetzt aus dem Fenster klettern, dich abseilen, über das Dach laufen und in den Fluss springen. Und dann will ich dich nie wiedersehen.«
»Du glaubst doch selbst nicht, dass …«
»Ich gebe dir genau eine Chance!«, brüllte sie.
Thanos wandte sich an ihn und vermied dabei jede verdächtige Bewegung. Elena hielt die Armbrust mit zitternden Händen.
»Levin, du hast keine andere Wahl«, sagte Thanos.
»Ich werde dich hier nicht im Stich lassen«, gab er trotzig zurück.
»Möchtest du lieber sterben?«
»Vielleicht möchte ich das.«
»Dann hast du nichts verstanden.« Er schaute ihn mit einem seltsam zweideutigen Blick an, der fast etwas Spitzbübisches hatte. »Glaubst du nicht, dass es da draußen noch eine unverheiratete Frau gibt, der du mit deinem Dasein behilflich sein könntest?«
Levin antwortete mit einem befremdeten Blick.
»Hört endlich auf
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