Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)
»So oder so, ich habe nicht vor, es Euch zu einfach zu machen. Es sind noch zwei weitere Rätsel zu lösen, zwei weitere Wegweiser zu entschlüsseln. Mondopoi führt Euch auf die richtige Spur. Mehr bleibt nicht zu sagen, außer: lebt wohl.«
Der Geist von Drestan Veribas verblasste. Lian wollte gerade zum Sprechen ansetzen, da schien die Gestalt des Mannes wieder an Festigkeit zu gewinnen. »Nur eines noch: Alle Materie und alle Energie lassen sich zu edlen wie auch zu niederen Zwecken benutzen. So wie die ælonische Kraft. Bedenkt das, wenn Ihr Dalahan findet.«
Damit löste er sich auf. Die Linsen der Maschine erloschen.
Kriss blinzelte, als erwache sie aus einem Traum.
»Kannst du damit was anfangen?«, fragte Lian. »Wer oder was is’ ›Mondopoi‹?«
»Ein Kontinent.« Kriss fühlte sich von Veribas im Stich gelassen. Sie hatte ihn noch so vieles fragen wollen! Aber die Aufzeichnung hätte ihr ohnehin nicht geantwortet ...
»Es gibt nur drei Kontinente, weiß doch jeder«, knurrte Lorgis, der Barabell gerade auf ein altes Sofa bettete.
»Und keiner davon heißt Mondopoi.« Die Matrosin legte ihr angeschlagenes Bein hoch.
»Vielleicht doch«, Lian lehnte sich gegen den Türrahmen, »nur eben in ’ner andern Sprache?«
»Nein.« Kriss schüttelte den Kopf. »Mondopoi gibt es nicht.«
Nesko fächelte sich Luft zu. Schweiß perlte auf seiner Haut. »Seid Ihr sicher, Doktor?«
»Zumindest war ich das bis jetzt immer.« Kriss fuhr sich durch das klebrig-feuchte Haar. Sie war noch immer nicht ganz über die unerwartete Begegnung mit Veribas hinweg. Und was hatten seine Abschiedsworte zu bedeuten? Als sie merkte, dass alle Blicke auf ihr ruhten, erklärte sie: »Vor der Ælonischen Epoche gab es in fast allen Kulturen den Mythos von einem vierten Kontinent: Mondopoi. Einem Land voller Gold und Diamanten, mit Quellen, die einen unsterblich machen, wenn man aus ihnen trinkt. Das Übliche. Schon damals hat man unzählige Expeditionen ausgesandt, um es zu finden. Vergeblich. Selbst als die ersten Fluggeräte ausgesandt wurden, um die Welt zu kartographieren, hat man noch nach Mondopoi gesucht, wieder ohne Erfolg. Es ist genauso erfunden, wie die Tiere in Tolmens Bestiarium.« Veribas schien eine Schwäche für Märchen gehabt zu haben. Verdammt, warum hatte er sich nicht klarer ausdrücken können?
Lian rieb seine Narbe. »Und wie bitte schön soll uns ’n Kontinent, den’s nicht gibt, den Weg weisen?«
»Gute Frage«, sagte Kriss.
Während sich die Matrosen ausruhten, beschlossen Kriss und Lian, sich in den anderen Räumen des Baumhauses umzusehen. Möglicherweise hatte Veribas weitere Nachrichten hinterlassen.
Der Raum, in dem sie der tote Hausherr begrüßt hatte, war groß und rund. Die Wände erinnerten an das helle, glatte Holz unter einer Baumrinde. Ein paar der runden Fenster standen offen. Rankpflanzen und Zweige ragten von außen hinein. Es gab einige alte Sessel aus Leder, von Schimmel und Staub bedeckt. Auch der Teppich faulte vor sich hin. Der Dschungel begann, das Haus zu erobern.
Kriss sah sich um. Die Möbel mit ihren Ecken und Kanten erschienen wie Fremdkörper. Hatte Veribas sie nachträglich hierher schaffen lassen, den ganzen Weg durch den Dschungel? Sie griff nach einem Buch. Seine Seiten waren vor Feuchtigkeit ganz dick. Hatten zu Veribas’ Lebzeiten ælonische Einrichtungen hier drinnen ein erträglicheres Klima geschaffen?
Die »Stube«, wie sie den Raum nannten, wies Türen in alle Richtungen auf. Eine davon führte in eine Küche mit einem Steinofen, wo Spinnen in Pfannen und Töpfen an der Wand nisteten. Durch eine andere Tür gelangte man in ein Badezimmer, in dem eine Zinkwanne stand, sowie ein Waschbecken unter einem Spiegel. Es gab sogar einen verrosteten Hahn, aus dem noch immer Wasser floss. Wahrscheinlich wurden die Wasserspeicher vom Regen aufgefüllt. Oder es wurde eine unterirdische Quelle angezapft.
In einem Schrank fanden sie eine luftdicht verschlossene Blechkiste und darin Verbandsmaterial und Heilsalbe. Die Matrosen begannen damit ihre Wunden zu versorgen, während Lian einen winzigen Raum erforschte, kaum mehr als eine Abstellkammer. Darin stand ein Gerät, das aussah wie ein riesenhaftes Insekt – ein Apparat mit Flügeln aus Glas und Metall, den man sich wie einen Rucksack umschnallen konnte. Ælonische Kristalle mit schwacher Ladung waren daran befestigt.
»’s wär vielleicht nich’ dumm, das Teil mitzunehmen«, sagte Lian. »Was meinst
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