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Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)

Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)

Titel: Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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Haut war ganz glatt. Dafür zeichneten sich seine Muskeln sehnig ab; sie konnte jede seiner Rippen zählen. Trotzdem spürte Kriss, wie sie ein heißer Schauer durchflutete.
    »Ich hatte daran gedacht, ihnen die Wahrheit zu sagen«, gestand sie leise, als Lian sich fertig umgezogen neben sie setzte. »Ich meine, nur ganz kurz. Dorello hat Recht, die Insel bedeutet mir nichts.«
    »Die machen kurzen Prozess mit uns, wenn wir sie dahin geführt haben –«
    »Ich weiß«, sagte Kriss. Ich weiß ... Selbst wenn sie ihm gaben, was er wollte, würde Ruhndor sie nicht gehen lassen. Schließlich konnte er nicht riskieren, dass sie anderen von seinen Plänen berichten, wie auch immer diese aussehen mochten. Und er würde sie wohl kaum für den Rest ihres Lebens auf diesem Schiff einsperren, wenn es eine viel einfachere Lösung gab.
    »He«, sagte Lian sanft. »Sie wird schon kommen.«
    »Und wenn nicht ...?«
    »Denken wir uns eben was Neues aus. Kopf hoch. Du hast im Knast besser durchgehalten als ich, du wirst doch jetzt nich’ die Muskete ins Korn werfen, oder?« Er lächelte hoffnungsvoll.
    »Nein«, sagte sie.
    Lian schien einen Moment mit sich zu ringen – dann legte er den Arm um sie. Dankbar lehnte Kriss ihren Kopf an seine Schulter und vergaß für einen Moment ihre Sorgen.
    »Lian, kann ich dich was fragen?« Ein Kloß schien in ihrer Kehle zu stecken.
    »Klar.«
    Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Es konnte sein, dass sie hiernach nie wieder die Gelegenheit hatte, die Frage zu stellen. Aber sie fürchtete sich vor der Antwort. »Als wir nach Hestria geflogen sind«, brachte sie mit schwerer Zunge hervor. »Als ich die Brille abgenommen habe, da hast du gesagt ...«
    Er nickte; ernster auf einmal. »Ich weiß.«
    »Was hattest du damit gemeint?«
    Es schien ihm schwerzufallen sie anzusehen. Ihr Herz sank in die Schuhe. »Nix«, sagte er dann. »Ich hab gar nix damit gemeint.« Er wandte den Blick zum Bullauge und sie wusste, dass er log.
    Die Worte kamen von ganz allein über ihre Lippen, obwohl alles in ihr schrie: Hör auf! Tu’s nicht! »Warum hast du es dann gesagt? Nur um mich aufzuziehen?«
    Er sagte nichts.
    »Lian ...«
    »Ja!«, bellte er und ließ die Knöchel knacken. Auf einmal wünschte sie sich, den Mund nie aufgemacht zu haben. Sie schluckte schwer; für einen Moment hatte sie das Gefühl zu ersticken.
    »Tut mir leid«, murmelte Lian mit Reue im Blick. »So hab ich das nich’ gemeint, ich –«
    »Es muss dir nicht leid tun«, sagte sie kühl.
    »Bist ... bist du jetzt sauer?«
    »Warum sollte ich das sein?« Wie schrecklich ihre Stimme klang! »Ich habe eine Frage gestellt und du hast mir geantwortet. Das ist alles. Ich bin müde. Weck mich, wenn wir da sind.«
    Sie drehte sich weg, als wollte sie schlafen. Auf der Matratze zusammengekugelt, das Kissen an sich gedrückt. Sie dachte daran, wie er ihr auf dem Fest der Farben die Blüte ins Haar gesteckt und sie angelächelt hatte.
    Was hast du erwartet? Er war ein Straßenjunge, ein Schläger. Unbelesen und grob. Er hatte sich von Anfang an über sie lustig gemacht, nur um sich nicht dumm zu fühlen – warum sollte er plötzlich damit aufhören? Was ist passiert, Bria? , dachte sie. Was ist nur mit mir los?
    Das Schweigen zwischen ihnen zog sich ewig hin.
    »Ich hab angefangen das Buch zu lesen«, sagte Lian irgendwann zaghaft.
    Sie antwortete nicht.
    »Is’ ganz spannend, eigentlich. Ich mein’, ich bin erst auf der zweiten Seite, aber trotzdem ...«
    »Dann viel Spaß auf Seite drei«, sagte Kriss.
    Schweigen, für eine lange, lange Zeit.
    Dann änderte sich der Klang der Antriebe. Kriss sprang vom Bett und eilte zum Bullauge. Die Dunkelheit hinter dem Fenster hellte sich auf und bald drangen goldene Sonnenstrahlen in das Meer. Ein Schwall Wasser rann von der runden Glasscheibe, als die Morgenstern die Oberfläche durchstieß.
    Die roten, nackten Felsklippen einer Steilküste erhoben sich fast senkrecht vor dem Fenster, nicht weit vom Rumpf des Schiffs entfernt. Meeresvögel flohen kreischend vor der mächtigen Maschine. Nach zwei oder drei Klaftern verschwanden die Klippen unter der Morgenstern , als diese in den Himmel stieg. Eine Graslandschaft breitete sich vor dem Schiff aus, bedeckt mit mageren Blutbeerbüschen und einer Handvoll Palmen, die ihre Blätter im Wind wiegten. Ein Fluss stürzte sich als Wasserfall über die Kante der Klippen; links und rechts von seinen Ufern lagen mit Flechten bewachsene Findlinge

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