Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)
mich angelogen?«, fragte Lian.
Kriss starrte ihn an. Er grinste. »Du kannst ja doch tanzen. Ziemlich gut sogar.«
»Danke.« Ob er wusste, wie viel ihr das bedeutete?
»Was is’ eigentlich mit deiner Brille passiert?«
Es ist ihm aufgefallen! »Nichts«, sagte sie unschuldig. »Ich hatte ... nur keine Lust sie zu tragen.«
Er winkte. »Kannst du dann überhaupt was sehen?«
Sie legte den Kopf schräg. »Ich bin kurzsichtig, Lian«, seufzte sie, »aber nicht so kurzsichtig!«
»Ich mein’ ja nur. Nicht, dass du mir irgendwo gegen läufst.« Er lächelte. »Ich find’, sie steht dir. Die Brille. Passt zu dir.«
Da waren sie wieder: Flüstermotten in ihrem Bauch und das Gefühl, Wolken gegessen zu haben. Damit er nicht sah, wie sie rot wurde, blickte sie nach draußen. In der Ferne sah sie einen dunklen Kegel aus den Wellen ragen. Eine Insel – aber noch nicht Dalahan, denn dafür war es noch zu früh. »Dass wir mal soweit kommen würden ...«
»Hast du etwa dran gezweifelt?«
»Manchmal schon. Du nicht?«
»Nee.«
Sie musterte ihn amüsiert. »Ach nein?«
»Nö.« Er zuckte die Achseln. »Mit mir an deiner Seite – was soll da schiefgehen?«
Das brachte sie zum Lachen. Als sie sich neben ihn auf die Kiste setzte, fühlte sie sich, als stünde sie wieder auf der Tanzfläche, mit klopfendem Herzen, weichen Knien und nass vor Schweiß.
Eine Weile saßen sie nur so da und Kriss suchte verzweifelt nach irgendeinem Gesprächsthema. »Weißt du ... weißt du eigentlich schon, was du tun wirst, wenn wir zurück nach Hause kommen?«
Er betrachtete seine Schuhspitzen. »Weiß nich’. Mal seh’n, wohin’s mich verschlägt.«
»Hast du gar kein Ziel?«
Er dachte darüber nach. »Nein. Noch nich’, schätz’ ich.«
»Vielleicht könntest du weiter für die Baronin arbeiten.« Und wir könnten uns sehen!
Er grinste schief. »Nich’, wenn ich’s vermeiden kann.« Auf einmal zog er ein Gesicht, als habe er auf Bitterwurz gebissen.
Kriss sah erschrocken, wie er sich den Bauch hielt. »Was ist?«
»Nix«, winkte er ab. »Nur die Verdauung. Lass uns über was and’res reden. Was machst du , wenn wir zurück sind?«
»Du meinst, wenn wir Dalahan gefunden haben und nicht vorher von Geisterschiffen abgeschossen werden?« Oder von Ruhndor , fügte sie im Gedanken hinzu.
»Ja.« Lian nickte. »Du könntest ’n Buch drüber schreiben. Reich und berühmt werden.«
»Ja, vielleicht.« Kriss’ Beine wippten auf und ab. »Ehrlich gesagt ... ich hab mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht. Vor drei Jahren noch hätte ich wahrscheinlich nichts anderes im Kopf gehabt. Aber ... es gibt Wichtigeres als Ruhm und Ehre.« Was würde sie tun, wenn sie die Insel fanden – aber nicht Bria? Würde die Baronin ihr Geld für eine weitere Expedition geben, um sie zu suchen? Sie schüttelte den Kopf. »Bei unserem Glück fallen wir sowieso vorher über den Rand der Welt.«
Das brachte Lian zum Lächeln.
Kriss sah ihn an. Er bemerkte das. »Ich hab doch nix zwischen den Zähnen, oder?«
»Nein«, sagte sie. »Du ... bist hübsch, wenn du lächelst. So ganz ohne Spott.«
»Wer – ich?«
Sie nickte. Sie hatte ihm das schon solange sagen wollen; es war gar nicht so schwer gewesen. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, was als nächstes geschah – als Lian sich vorbeugte. Und sie küsste.
Kriss spürte seine Lippen auf ihren und zitterte. Flattern im Bauch, Musik und Knistern in der Luft – es stimmte alles, was die Leute über den ersten Kuss sagten.
Sie küsste ihn zurück; ihre Zunge traf auf seine Zähne; er öffnete die Lippen weiter und seine Zunge berührte ihre, weich und warm und schön; ihr Körper bebte, ihr wurde heiß. Sie wünschte sich verzweifelt, die Zeit anhalten zu können, nur um in diesem Moment zu baden.
Doch so schnell er gekommen war, so schnell verging er auch wieder.
Sie hatte die Augen noch geschlossen, als Lian sich zurückzog.
»Tut mir leid ...«, sagte er.
Kriss hatte das Gefühl, ewig zu fallen. Sie schlug die Augen auf und sah sein Gesicht, schuldbewusst, scheu, als habe er etwas Verbotenes getan. Unfähig zu begreifen, was geschehen war, versuchte sie ein Lächeln, aber in ihrer Verwirrung wurde nur eine Grimasse daraus. »Von mir aus brauchst du nicht aufhören!«, sagte sie und beugte sich wieder zu ihm vor.
Lian wich zurück, er berührte ihre Arme, als wollte er sie auf Abstand halten. Sein Blick ließ ihr Herz rasen; nichts ergab mehr Sinn. »Ich hätte
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