Der Schatz des Blutes
Anmaßung den König wütend gemacht?«
»Nein, aber – verdammt!«
St. Omer fuhr herum und zeigte mit dem Finger auf seinen Freund, blieb dann jedoch wortlos stehen. Seine Stirn runzelte sich, während er darüber nachdachte, was er als Nächstes sagen wollte. Schließlich glättete sie sich wieder, und er begann mit leuchtenden Augen zu lachen.
»Der Teufel soll dich holen, Hugh de Payens. Du bist der heimtückischste, skrupelloseste und klügste Intrigant, der mir je begegnet ist. Du hast nicht ein Wort von dem gesagt, was ich dachte. Und du hast den König genauso hinters Licht geführt, wie du mich getäuscht hast.«
»Nicht doch. Mit Täuschung hatte das nichts zu tun, mein Freund. Du hast dich selbst getäuscht, indem du dir viel zu viele Gedanken darüber gemacht hast, dass Baldwin vielleicht meine Gedanken lesen könnte. Ich konnte dir das ansehen, deshalb habe ich nach einer Weile den Blick von dir abgewendet, weil ich Angst hatte, andere könnten deine Besorgnis genauso deutlich sehen wie ich. Was die Annahme betrifft, dass ich den König hinters Licht geführt habe – davon kann keine Rede sein. Ich habe ihn auch nicht angelogen. Wir haben doch vor einiger Zeit genau darüber geredet, dass wir vorgeben wollten, ein Felsenkloster anzulegen. Natürlich ist nichts daraus geworden, aber du warst dabei. Also musst du dich daran erinnern. Damals haben wir über all das gesprochen, was ich Baldwin beschrieben habe.«
»Aye, ich weiß. Ich wusste auch, dass du darauf angespielt hast, aber ich habe nicht verstanden, was du vorhattest. Deshalb habe ich den Kopf verloren. Aber jetzt, da ich begreife, muss ich sagen, dass du erstaunlich warst. Du hast dem König den Wind aus den Segeln genommen, dafür gesorgt, dass er keinen Verdacht schöpfen wird, wenn ihm jemand von ungewöhnlichen Geräuschen oder Vorgängen in unserer Höhle berichtet. Darüber hinaus hast du ihn anscheinend mühelos davon überzeugt, dass er derjenige sein sollte, der uns die nötigen Werkzeuge stiftet. Ich kann gar nicht glauben, dass dir das alles in weniger als einer Stunde gelungen ist.«
»Vergiss den Schatz nicht.«
»Aye, der Schatz. Als er zum ersten Mal davon gesprochen hat, war ich fest überzeugt, dass er wusste, was wir vorhaben, und dass er von dem Schatz sprach, den wir suchen. Ich habe gedacht, ich müsste mich vor lauter Angst übergeben, bis ich begriffen habe, dass er von gewöhnlichen Schätzen spricht … von Gold und Edelsteinen … und gar nicht von unserem Schatz.«
»Und er macht sich keine großen Hoffnungen, dass wir überhaupt etwas finden, denn er weiß, dass niemand einen Schatz in massive Felsen vergräbt.«
St. Omer runzelte erneut die Stirn.
»Was tun wir denn, wenn unter den Schätzen, nach denen wir suchen, auch Gold und Edelsteine sind?«
»Es werden Gold und Edelsteine darunter sein. In den Archiven ist eindeutig von großen Kostbarkeiten und Juwelen die Rede. Wir suchen einen Tempelschatz, Godfrey. Ganz gleich, welche Wissensschätze er enthält, er wird sicher Reichtümer enthalten. Hast du je von einem armen Priester oder einem Tempel ohne Gold gehört? Aber diese Brücke können wir überqueren, wenn wir sie erreichen. Vorerst jedoch geht der König nicht davon aus, dass wir etwas finden. Er ist absolut zufrieden damit, uns im steinernen Herzen des Berges graben zu lassen, solange wir weiter die Straßen überwachen. Und das werden wir tun, Godfrey, das werden wir tun. Können wir jetzt gehen und den anderen davon berichten?«
St. Omer grinste und wies Hugh mit einer Geste an vorzugehen. Dann machten sich beide Männer an den Abstieg zur südwestlichen Ecke des Tempelbergs, und de Payens pfiff vergnügt vor sich hin.
D IE V ERFÜHRERIN
1
D
ER MANN SCHEINT JA unermüdlich zu sein«, sagte Warmund von Picquigny, der Erzbischof von Jerusalem, und de Payens lächelte schwach, während er den Blick weiter auf das Spektakel vor ihnen gerichtet hielt.
»Diesen Eindruck könnte man in der Tat bekommen«, stimmte er zu. »Aber Ihr solltet doch besser als jeder andere wissen, dass der Schein trügen kann. Irgendwann wird er genauso ermüden wie alle anderen. Der Unterschied liegt darin, dass er viel jünger ist als die anderen und die Kraft und das Durchhaltevermögen der Jugend hat. Ha! Seht Euch das an. Er bewegt sich wie eine Katze. Ich wünschte, ich hätte noch vier Männer wie ihn.«
Sie beobachteten einen Übungswettkampf zwischen fünf Schwertkämpfern, vier gegen einen, und dieser
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