Der Schatz des Blutes
eine, der jüngste von ihnen, ließ seine Gegner wie alberne Anfänger aussehen. Seine Waffe war ein zweihändiges Schwert mit einer langen, spitz zulaufenden Klinge, gegen das die Waffen seiner Gegner wie Spielzeug aussahen. Und in seiner Meisterhand verwandelte es sich in einen undurchdringlichen Vorhang aus schimmernder Bewegung.
Gerade hatten zwei seiner Gegner gleichzeitig angegriffen – der eine, indem er seine Klinge parierte, der andere, indem er seinen Vorteil nutzte und einen Satz nach vorn machte. Doch der junge Mann drehte sich geschickt, sprang zur Seite und suchte mit dem ausgestreckten Fuß Halt auf einer niedrigen Mauer. Einen Moment lang rang er dort mit gebeugten Knien um sein Gleichgewicht, dann sprang er wieder davon und verdoppelte den Abstand zu seinen Angreifern, bevor einer von ihnen auch nur auf seine erste Bewegung reagiert hatte. Als seine Füße wieder auf dem Boden landeten, lachte er und steckte die Spitze seines Schwertes in den Boden, um eine Pause zu signalisieren, in die seine Gegner nur zu gern einwilligten.
»Gut gemacht, Stephen«, rief de Payens, während die fünf Männer langsam wieder zu Atem kamen, und der Patriarch sah ihn lächelnd an.
»Ich verstehe ja, warum Ihr so beeindruckt seid, aber warum solltet Ihr nicht noch vier Männer wie ihn finden? Und warum nur vier? Warum nicht zwanzig?«
De Payens lachte laut auf.
»Warum nicht? Ich hätte gern zwanzig Männer wie ihn, da habt Ihr Recht, aber das wird nie geschehen, denn der Junge ist ein Phänomen. Er ist … man kann es gar nicht glauben. Ich kann es immer noch kaum fassen, dass er hier ist und zu uns gehört. Das ist mein Ernst, Mylord, Wort für Wort. Nur wenige Männer in seinem Alter – vielleicht nur einer von fünf- oder sogar zehntausend – besitzen dieses Kampfgeschick, das er so mühelos demonstriert. Un d kaum einer dieser Wenigen, die schließlich in der Blüte ihrer Jugend stehen, käme je in die Versuchung, die Vergnügungen des Lebens aufzugeben, um eine Mönchskutte anzulegen.«
»Aye, da habt Ihr Recht. Die Welt und das Fleisch üben eine große Anziehungskraft auf junge Männer aus. Aber woher habt Ihr dann dieses Prachtexemplar? Ihr habt mich hergeholt, um ihn zu sehen, aber Ihr habt mir nicht einmal seinen Namen gesagt. Wer ist er, und woher stammt er?«
»Man könnte wohl sagen, ich habe ihn geerbt.«
Der Hauch eines Lächelns umspiele de Payens’ Lippen, während er dem jungen Ritter weiter zusah und sich dabei mit dem Patriarchen unterhielt.
»Sein Großvater war mein Pate, der alte Sir Stephen St. Clair. Der Sir Stephen St. Clair, der im Jahr 1066 mit den Normannen in England einmarschiert ist und später ein enger Vertrauter des englischen Königs wurde.«
Er richtete den Blick auf den Patriarchen, der jedoch höflich den Kopf schüttelte.
»Ihr habt noch nie von ihm gehört? Sir Stephen St. Clair? Das erstaunt mich. Es hieß, er sei der Mann gewesen, der Harold Godwinson während der Invasion getötet hat. Er selbst hat das zwar hartnäckig geleugnet, aber König William hat persönlich behauptet, Zeuge gewesen zu sein, und geschworen, dieser Tatsache verdanke er seine Krone – und natürlich hat man ihm geglaubt.«
»Und was hat das damit zu tun, dass sein Enkel hier in Outremer ist und Mönch werden will?«
»Eigentlich nichts. Ich war mit dem Vater des jungen Stephen befreundet, als ich jünger war – nicht sehr eng, aber wir haben uns gegenseitig sehr geschätzt, und das, obwohl er fünf Jahre älter war als ich. Robert hat jung geheiratet, und seine Frau hat einen Sohn zur Welt gebracht, nämlich unseren Stephen.«
Kurz darauf, so fuhr de Payens fort, war die junge Frau an einer Krankheit gestorben, die sie mitsamt ihren Hofdamen dahinraffte. Sie lebten damals im Nordosten Englands in einer der Burgen, die der König hatte bauen lassen, um die Sachsen zu unterwerfen und im Zaum zu halten. Es war Feindesland, und sie hatten keinerlei Verbündete in der näheren Umgebung, sodass der Junge völlig ohne Frauen von den Mönchen und Kirchenmännern aufgezogen wurde, die sein Vater mitgebracht hatte, um die Sachsen zu missionieren.
Jeder hatte den Jungen gerngehabt, aber die Art, wie er aufwuchs, hatte ihm ihren Stempel aufgedrückt. Gleichzeitig entwickelte er sich zu einem außergewöhnlichen Kämpfer – zwei Seiten derselben Münze –, da er vom Waffenmeister seines Vaters ausgebildet wurde, als dieser das Talent des Jungen erkannte.
Sein Vater Robert führte ein
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