Der Schatz des Blutes
allen sehr entgegenkommen.«
»Aye, solange Gottfried lebt. Wer steckt sonst noch dahinter?«
»Wohinter, hinter diesem Königreich?«
St. Omer zuckte mit den Achseln.
»Die üblichen Drahtzieher. Gottfrieds Bruder Baldwin ist sicher nicht weit von diesen Pfründen entfernt. Was für ein kaltherziger Mensch. Dann ist da noch Bohemond von Taranto … Es heißt, er erhebt bereits Anspruch auf Antiochia, das er als sein persönliches Lehnsgut bezeichnet, und nennt sich Prinz von Antiochien. Auch heißt es, dass Baldwin nicht nur mit einem Auge auf den Anspruch seines Bruders auf die Krone von Jerusalem schielt, sondern zu seinem eigenen Schutz gleichzeitig darauf drängt, Edessa für sich zu beanspruchen. Diese drei haben ein mächtiges Räderwerk in Bewegung gesetzt. Und dann sind da noch Robert de Normandie und Robert von Flandern und ihr Gefolgsmann Stephen du Blois, der in einem schwachen Augenblick die Tochter des Eroberers geheiratet hat und es seitdem bereut. Und dann ist da natürlich noch unser eigener Lehnsherr, Graf Raymond von Toulouse. Sie alle halten mit Adleraugen Ausschau nach allem, was für sie abfallen könnte.«
Hugh starrte jetzt wieder ins Feuer und nickte gebannt, als könnte er in der Glut etwas sehen.
»Ich muss mit Graf Raymond sprechen«, sagte er mehr zu sich selbst als zu seinem Freund.
»Ich werde bei Tagesanbruch da sein und hoffen, dass er mit mir reden wird. Jetzt geh, mein Freund, such dir dein Bett und schlaf gut.«
8
E
S IST NIEMAND in der Nähe, der uns hören könnte, Bruder Hugh, also könnt Ihr offen sprechen. Was ist es, das Euch Sorgen bereitet?«
Es war so früh am Morgen, dass die Schatten noch lang waren, obwohl die Sonne jetzt schnell höher stieg und ihr Licht mit jeder Minute greller wurde.
Hugh fand es ermutigend, dass Raymond sofort verstanden hatte, dass er etwas auf dem Herzen hatte.
Zu seiner Bestürzung hatte er den Grafen an diesem Morgen von Höflingen umringt angetroffen, von denen viele Bittsteller oder Untergeordnete und nur wenige Ordensbrüder waren. Godfrey musste schon vorzeitig hier gewesen sein und seine Order vor Hughs Ankunft erhalten haben, denn er war nirgendwo in Sicht.
Die Wachen hatten Hugh sofort gestattet, das riesige Zelt unter dem Banner von Toulouse zu betreten, doch er war gleich hinter dem Eingang stehen geblieben, um sich umzusehen, denn es widerstrebte ihm, sich durch das Gedränge zu schieben. Sein Blick fiel auf den Grafen, der von einem Dutzend Männern umringt in der Mitte des Zeltes stand. Doch anderswo in der Menge entdeckte er auch mehrere Männer, die er zuletzt in Jerusalem wüten gesehen hatte, und er hatte nicht den Wunsch, mit ihnen in Kontakt zu kommen.
Glücklicherweise hatte der Graf ihn gesehen, sich bei seinen Begleitern entschuldigt und war auf ihn zugekommen, um ihn als Bruder zu umarmen. Er sei froh gewesen, als ihm St. Omer die Kunde von Hughs Rückkehr überbrachte, sagte er, und Hugh war überrascht und dankbar gewesen, dass er ihn daraufhin nicht gefragt hatte, wo er während seiner dreiwöchigen Abwesenheit gewesen war.
Stattdessen lehnte sich Raymond zurück, betrachtete ihn fragend und warf dann einen Blick auf die Menge, die sie beobachtete, bevor er ihn leise fragte: »Wolltet Ihr über etwas sprechen, was uns als Brüder betrifft?«
Als Hugh zustimmend nickte und murmelte, fügte er hinzu: »Ist es so wichtig, dass ich diese Zusammenkunft unterbrechen sollte?«
Hugh nickte erneut, und der Graf packte seinen Oberarm und sprach jetzt so, dass die anderen es hörten.
»Dann kommt, Sir Hugh, und geht ein wenig mit mir an der Morgenluft spazieren. Ich muss mir die Beine vertreten, und ich würde gern von Euren Abenteuern in der Wüste hören.«
Jetzt, da sie sich weit von dem Zelt und seinen Insassen entfernt hatten, blieb Hugh stehen und sah seinen Lehnsherrn direkt an.
»Ich höre, Mylord, dass davon die Rede ist, das Heer aufzulösen, jetzt, da Jerusalem eingenommen wurde.«
Graf Raymond nickte.
»Das habe ich auch gehört, aber es trifft nicht zu. Es ist nicht möglich, das Heer aufzulösen. Das wäre die reine Narretei.«
»Aber einige unserer Leute werden doch heimkehren, nicht wahr?«
»Aye, das stimmt, daran kann ich nichts ändern. Die meisten der Männer hier haben sich freiwillig das Kreuz angeheftet, um die Heiligen Stätten zurückzuerobern. Nun ist dies geschehen, und ihr Ziel ist erreicht. Sie glauben mit gutem Grund, dass sie ihre Pflicht erfüllt haben, und jetzt möchten sie
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