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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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St. Omer überwältigt. »Das ist brillant, mein Freund.«
    St. Agnan dagegen ließ sich nicht so leicht einlullen.
    »Aye, vielleicht hast du ja Recht, aber müssen wir wirklich Mönche werden? Ich weiß nur wenig darüber, wie man zum Mönch wird, aber die Vorstellung, ein Mönchsgelübde abzulegen, gefällt mir nicht. Was müssten wir denn über uns ergehen lassen, wenn wir es tatsächlich tun?«
    »Nur drei Dinge, Archibald. Armut, Keuschheit und Gehorsam.«
    »Keuschheit? Ich soll ein Keuschheitsgelübde ablegen? Niemals!«
    De Payens warf St. Omer einen raschen Blick zu und zwinkerte mit einem Auge.
    »Komm schon, St. Agnan, sei ehrlich«, forderte er den kräftigen Ritter heraus. »Wann hast du denn zuletzt einen unkeuschen Gedanken an etwas anderes als eine hübsche Ziege verschwendet? Wie alt bist du jetzt? Vierzig? Älter? Und du hast dein halbes Leben in der Wüste verbracht. Du stinkst wie ein Otter, genau wie wir alle, und keine Frau, die etwas auf sich hält, würde sich dir auch nur nähern – wenn es hier überhaupt fränkische Frauen gäbe, die etwas auf sich halten. Was, so frage ich dich, bedeutet dir schon die Keuschheit?«
    St. Agnan, der keinerlei Anstoß an seinen Worten nahm, grunzte und grinste.
    »Aye, du hast Recht, das muss ich zugeben. Aber was ist mit den anderen … Gehorsam … und Armut , in Gottes Namen?«
    »Diese beiden befolgst du sowieso schon … und zwar in der Tat in Gottes Namen. Darum geht es doch bei dem Ritual, das wir heute hier zelebriert haben. Die beiden Gelübde, die du jetzt in Frage stellst, hast du bei deiner Weihe längst abgelegt. Du hast geschworen, den von Gott eingesetzten Ordensoberen zu gehorchen, und du hast geschworen, alles mit deinen Ordensbrüdern zu teilen … Ist es nicht so?«
    Er wartete St. Agnans zustimmendes Nicken ab, dann lächelte er.
    »Aye, schön, dass du dich noch daran erinnerst. Du hast damals Gehorsam gelobt, Archibald, und eigentlich gleichermaßen Armut.«
    Dem schien niemand etwas hinzuzufügen zu haben, und de Payens lächelte schwach und nickte.
    »Hört zu, Freunde«, begann er. »Ich kann sehen, dass ihr alle Eure Zweifel in Bezug auf diesen Plan habt, manche wahrscheinlich mehr als andere. Ich gebe offen zu, dass es mir bis vor ein paar Stunden nicht anders ergangen ist. Doch während ich letzte Nacht wachlag, habe ich über vieles nachgedacht, und erst jetzt wird mir klar, dass sich all diese Gedanken um unser Dilemma gedreht haben. Daher möchte ich sie mit euch teilen. Ihr wisst ja alle von meinem selbst gewählten Exil, davon, dass ich mich während der letzten Jahre von den Menschen ferngehalten habe …«
    Er zögerte, dachte einen Moment nach und sprach dann so langsam weiter, als müsste er jedes Wort auf die Goldwaage legen.
    »Diese Geisteshaltung entsprang der Enttäuschung … und einem Gefühl, das an Verzweiflung grenzte … Ich bin an meinen Mitmenschen verzweifelt, an mir selbst, an dem, woran ich glaube, und an meinen beschmutzten Idealen. Denn wohin ich auch geblickt habe, überall sah ich Männer in Blut waten, korrumpiert durch Dinge, die man mich schon als Junge zu verachten gelehrt hat. Wie ihr wisst, machen unsere christlichen Brüder großes Aufheben um ihren Glauben und seine Macht. Sie nennen ihn ein Geschenk Gottes, und die Priester nennen den Verlust des Glaubens eine der größten Katastrophen, die einen Menschen ereilen kann, weil er den Verlust seiner Seele bedeutet. Und sie sagen, die Verzweiflung ist der schwerste Verstoß gegen den Glauben, weil sie die Hoffnung unmöglich macht. Nun, meine Freunde, ich habe all diese Jahre in Verzweiflung gelebt, ausgelöst durch das Verhalten meiner Mitmenschen und durch die Leichtigkeit, mit der dieses Verhalten von der Kirche verziehen wird. Diese schafft einen auf mysteriöse Weise gereinigten und von jeder Schuld freigesprochenen Menschen, der ungehemmt ausziehen und die gleichen Grausamkeiten wieder und wieder und wieder begehen kann. Es gibt keine Sünde, so sagt man uns, die nicht vergeben werden kann, indem man sie einfach einem Priester beichtet.«
    Er richtete sich auf und hielt sich die Hände vor das Gesicht.
    »Doch die meisten Priester sind genauso käuflich wie die Menschen, denen sie in Gottes Namen vergeben.«
    Er ließ die Hände wieder sinken und blinzelte, um wieder klar sehen zu können.
    »Ich habe gesagt, die meisten, nicht alle. Es ist durchaus möglich, dass es Priester gibt, deren Glaube aufrichtig ist, wenn ich auch noch keinem

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