Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
wienerten und dafür lediglich zwei warme Mahlzeiten am Tag verlangten. Bald roch es im Treppenhaus und in den Zimmern nach Bienenwachs, in den Fensterscheiben spiegelte sich die Sonne und die kräftigen Farben der Teppiche kamen wieder zur Geltung, nachdem diese stundenlang auf der Wiese hinter dem Haus ausgeklopft worden waren. Mrs. Anderson stellte ich, nachdem ich nur wenige Sätze mit ihr gewechselt hatte, sofort als Köchin ein. Sie entsprach in ihrer ganzen Erscheinung dem Klischee einer Köchin: klein, untersetzt, dabei wieselflink, mit dicken, runden Apfelbäckchen. Mrs. Anderson hatte bereits in verschiedenen Herrenhäusern gedient, zuletzt in der Nähe von Aberdeen. Ihre Referenzen waren ausgezeichnet, ebenso ihre Kochkünste, wie ich noch am gleichen Abend feststellen durfte. Ein junges, wenig attraktives Mädchen würde künftig Rosie zur Hand gehen und ebenfalls in der Burg wohnen. Ob Glenda MacGinny mit meiner Wahl einverstanden war, wusste ich nicht. Aber es war mir auch gleichgültig. Während ich mit Mrs. Anderson und Wilma sprach, stand sie stumm daneben. Sie neigte nur zustimmend den Kopf, als ich sagte:
»Der Haushalt wird von Mrs. MacGinny geführt. Bitte wenden Sie sich bei Unklarheiten an sie. Sie verwaltet die Schlüssel für die Wäschekammer und die Vorratsräume. Mrs. MacGinny wird auch dich, Wilma, in deine Aufgaben einweisen.«
So war es also beschlossene Sache und ich Herrin über nunmehr fünf Domestiken – wenn ich Harrison mit einrechnete, was mir aber nach wie vor schwer fiel. Trotzdem gestaltete sich Cromdale House langsam, aber sicher zu einem wohnlichen Heim, in dem ich mich zunehmend wohl zu fühlen begann. Ich hatte jeglichen Gedanken, nach London zurückzukehren, längst aufgegeben, überhaupt war es mir unvorstellbar, jemals wieder in einer luftverschmutzten und lauten Stadt zu leben.
Durch die vielen Änderungen war ich sehr beschäftigt, so dass ich kaum noch Zeit fand, die Familie Grindle zu besuchen. Einmal traf ich bei einem Ausritt James am Rande des Wäldchens, denn ich bewegte Bachelor mindestens zwei Stunden täglich, um meine Kenntnisse zu schulen und zu festigen. James lobte meine Reitkünste, und wir ritten eine halbe Stunde Seite an Seite. Dabei bemerkte ich, wie mir James immer wieder bewundernde Blicke zuwarf.
»Sie kommen mit allem zurecht, Lucille?«, fragte er plötzlich. »Sie wissen, dass Sie jederzeit mit meiner Hilfe rechnen können. Mit der meiner Eltern selbstverständlich auch«, fügte er rasch hinzu.
Gerührt sah ich, wie eine leichte Röte über seine Wangen huschte, was meine Sympathien für ihn nur noch steigerte. Ich dankte ihm und versicherte, dass ich mit jedem Tag mehr das Leben hier genoss.
»Die Unkompliziertheit der Menschen hier, nicht zuletzt die Ihrer Familie, macht es einem leicht, gerne hier zu leben.«
»Und Glenda und Harrison?«, fragte James vorsichtig.
Ich zuckte mit den Schultern.
»Beide erfüllen ihre Aufgaben zu meiner vollen Zufriedenheit. Glenda lässt zwar keine Gelegenheit verstreichen, mir ihre angebliche Überlegenheit zu zeigen, aber ich gehe ihr meistens aus dem Weg.«
James berührte kurz meine Hand.
»Sie schaffen das, Lucille! Da bin ich ganz sicher.«
Ich atmete tief die frische, nach Tannennadeln duftende Luft ein. Es war schön, einen solchen Freund zu haben!
Das neue Mädchen Wilma meldete mir, Mrs. Grindle und ihre Tochter seien soeben eingetroffen und erwarteten mich im Salon. Rasch richtete ich mein Haar und eilte nach unten. Mrs. Grindle kam mir mit ausgestreckten Händen entgegen.
»Meine liebe Lucille! Ich gebe es zu, ich habe es nicht mehr ausgehalten! Meine Neugier trieb mich hierher, um zu sehen, wie Sie mit der neuen Situation fertig werden. Ich wollte mich mit eigenen Augen überzeugen, ob alles stimmt, was man sich so erzählt.«
»So, was erzählt man sich denn so?«, fragte ich freundlich und bat sie, Platz zu nehmen. Ich war dankbar, seit kurzer Zeit über einen Raum, den man durchaus als Salon bezeichnen konnte, zu verfügen. Zwar war die Einrichtung spartanisch und stammte hauptsächlich aus zusammengetragenen Möbeln verschiedener unbenutzter Räume, doch in einem Schrank hatte ich festen goldgelben Stoff gefunden und mit Rosies Hilfe Vorhänge genäht, die den Raum hell und freundlich machten. Die Kommode und das Beistelltischchen schmückten zwei bestickte Deckchen aus dem gleichen Stoff.
»Wie Sie mit den MacGinnys fertig geworden sind«, beantwortete Mrs. Grindle meine Frage.
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