Der Schatz von Njinjo (German Edition)
klappriger, dürfte deshalb aber kaum langsamer sein. Je länger die Fahrt dauert, desto dringlicher wünsch ich ihm jede erdenkliche Panne hinterher – Plattfuß, Achsenbruch, Crash mit `nem Zebra, Kolbenfresser, Motorexplosion –, anders gibt es keine Chance, dass der Ein-Stunden-Abstand schrumpft. Bald aber rechne ich immer weniger damit, den muzungu noch mal einzuholen. Stattdessen sauge ich die Landschaft in mich auf, die draußen an uns vorbeizieht. Nur selten habe ich das Glück, so viel von meinem Land zu sehen. Vor den Bergen breiten sich riesige sattgrüne Felder aus, klatschnass, die erst vor wenigen Jahren angelegt wurden.
„Was ist das, Mama?“, fragt ein kleines Mädchen ihre Mutter, die seit der Abfahrt meinen ohnehin eng bemessenen Sitz von links bedrängt. „Da bauen Chinesen Reis an, Kindchen“, antwortet die mama . „Das sind Menschen von weit her, die hier mal viel geholfen haben.“
„Aber mit den Reisfeldern haben sie gar nichts mehr zu tun“, mische ich mich ein. „Außer, dass sie uns das Reisessen beibrachten.“
„Das konnten wir nicht selbst?“ Erstaunt runzelt das Mädchen seine Stirn.
„Doch, aber wir kannten Reis ja gar nicht. Erst als ganz viele Chinesen zu uns kamen, um eine Eisenbahn zu bauen, lernten wir, wie einfach sich daraus eine Mahlzeit kochen lässt“, erkläre ich ihr amüsiert.
„Heute essen wir Reis ja genauso oft wie Maisbrei, früher gab’s stattdessen viel öfter Brei aus Hirse“, fährt die mama fort.
„Warum gehören den Chinesen die Reisfelder denn nicht mehr?“ Das Mädchen wendet sich wieder mir zu.
„Heute sind es Menschen aus Japan, die solche Felder bezahlen. Sie verstehen auch was vom Reisanbau, vor allem aber verstehen sie viel von Geld.“
„Geld? Wieso braucht man dafür Geld?“
„Na ja, man muss das Saatgut kaufen, Reisgras wächst eigentlich nirgends hier bei uns. Und dann muss man ganz viel Wasser auf das Feld bekommen, durch Rohre, Pumpen und Dämme. Auch die kosten Geld.“ Ich bekomme richtig Lust, mein Beraterwissen auszupacken. Endlich interessiert sich mal jemand dafür, wenn auch nur ein kleines Mädchen. Doch ehe es beginnt Spaß zu machen, ist’s schon vorbei. Abrupt wechselt das Mädchen das Thema. „Wie heißt du?“, fragt sie unvermittelt.
„Hannes.“
„Hunis? Was ist denn das für ein Name?“
„Hannes. Das ist deutsch, eine Sprache, die die Menschen nahe des Nordpols sprechen.“
„Aber wieso hast du einen so seltsamen Namen?“ Das Mädchen stürzt sich neugierig auf das neue Thema.
„Das ist eine komische Geschichte. Meine Mutter hat sie mir erzählt. Als sie mich geboren hat, nannte sie mich Johannes, ganz wie ein bekannter, uralter Christ. Jahre später tauchte in Moshi ein muzungu auf, der bekannt war für irre laute, ewig gleiche Musik. Ständig dröhnten fremdländische Gesänge aus seinem Haus, meilenweit. Oft wiederholten sich die Melodien, und manche waren so berühmt, dass auch meine Eltern sie kannten.
Als Kaishe, mein Vater, entdeckte, dass dieser muzungu Lieder spielte, die er selbst schon oft gesummt hatte, begann er, sich für den Fremden zu interessieren. Er machte sich bekannt und erfuhr er den Namen des lauten Barden. Mit Vornamen hieß der Hannes, seinen Familienamen erinnere ich nicht. Na ja, und seitdem haben erst Kaishe, dann alle anderen meinen Namen abgekürzt. Ehrlich gesagt, mir ist das auch lieber so.“ Unterdessen war das Mädchen auf dem Schoß seiner Mutter eingeschlafen.
Zunehmend wird die Gebirgslandschaft am östlichen Straßenrand nun steiler. Dunkel und undurchdringlich türmen sich die Usambara-Berge mit ihren Jahrmillionen alten Regenwäldern auf, während das weite Land rechts von uns immer trockener wird. Stundenlang fahren wir am Rande der Hochebene durch eintönige Savanne, auf der sich immer wieder kilometerweit die alten Sisalplantagen ausbreiten. Hin und wieder kreuzen wir die Eisenbahnschienen der Tanga-Bahn, die die Deutschen vor hundert Jahren zwischen dem Hafen am Indischen Ozean und ihren geliebten Usambaras bauten, um die Fasern abzuholen. Nach vier Stunden schließlich stoppt der Fahrer seinen Bus zum Mittagessen in Korogwe.
Später, im Küstenflachland, wird die Luft immer stickiger und der Verkehr zunehmend dichter. Ab und zu passieren wir noch ein paar riesige Baobabs, immer häufiger nur noch kleine Akazien und dicke Felsbrocken. Weder die Klimaanlage des Busses noch die aufgezogenen Fenster helfen jetzt mehr viel. Immun gegen
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