Der Schatz von Njinjo (German Edition)
Hotelgeländes. Erst, als der Deutsche kaum eine Viertelstunde später schon wieder aus dem Portal des „Serena“ herauskommt, fällt mir auf, dass ich nicht weiß, was ich jetzt machen soll. Petermann besteigt eines der wartenden Taxis, blickt mir einen Moment ins Gesicht, und schon ist er an mir vorbei. Wenigstens merke ich mir noch die Taxinummer.
Erneut steh ich da und warte. Wie lang so ein Tag doch werden kann! Was, wenn der muzungu sich auch morgen bei der Abreise einfach ein Taxi nimmt und damit auf Nimmerwiedersehen verschwindet? Wie ihm da folgen? Kein Mensch kann garantieren, dass dann wenigstens eine zweite Droschke in der Nähe ist!
Gegen halb elf kommt das Taxi mit Petermanns Nummer zurück. Bekommt jeder wirklich seine zweite Chance? Schnurstracks steuere ich auf den Fahrer zu. Gewiss, es könnte teuer werden, doch ich will unbedingt wissen, wo der Deutsche hingefahren ist.
„Tag, Kollege. Sag mal, woher bist du gerade gekommen? Hab dich vorhin mit `nem muzungu abfahren sehen, mit dem ich befreundet bin ...“
„Soll ich dich zu ihm bringen? Macht 3.000.“
„Nein, sehr freundlich. Ich möchte nur wissen, wo ich ihn finden kann.“
„Das macht `nen Tausender.“
Ist es mir das wert? Was hab ich davon zu wissen, wo dieser Petermann sich rumtreibt bis morgen früh? Wenig! So werde ich ein bisschen bockig.
„Eintausend? Ist nicht drin, es sei denn, du hast noch mehr zu erzählen als nur den Ort.“
„Könnt' schon sein ...“
„Und was zum Beispiel?“
„Erst das Geld.“ Der Taxifahrer streckt seine offene Hand aus dem nicht vorhandenen Seitenfenster, und wartet, bis ich einen Fünfhunderter hineinlege. Wut steigt auf, ich ärgere mich halb weiß. „Treib mich nicht zur Weißglut, du!“, zische ich dem Fahrer zu, bevor mir einfällt, dass das den Preis noch höher treiben könnte. Zum Glück übertönt der Motor einer zweiten heranrollenden Klapperkiste die Hälfte meiner Worte.
„Er hat mich für morgen vors Hotel bestellt. Leg noch einen Tausender drauf, und ich sag dir, wann und wohin er will.“ Mein neuer Freund scheint genau zu spüren, dass mein Interesse an dem muzungu nicht allein freundschaftlicher Art ist. Ich gebe ihm sein Geld und weiß kurz danach, dass sich Petermann morgen früh auf die „Canadian Spirit“ nach Mtwara einschiffen will. Das zumindest hat er dem Chauffeur erzählt, um zu erfahren, wann er sich dafür denn abholen lassen soll. Seinen Nachmittag verbringt der muzungu im „Silver Sands Hotel“ am Strand mit einer weiteren Hellhäutigen, die er gerade im Nationalarchiv abgeholt hat.
Mtwara? Da will er hin? Mir bleibt höchstens noch eine Stunde, um auch für mich ein Ticket für die landesweit bekannte Fähre zu besorgen, das während der Regenzeit für die Menschen dort unten oft wochenlang die einzige Verbindung zur Außenwelt herstellt. Was will der Typ bloß soweit im Süden? Tanzanias südlichster Hafenort ist doch von Kilwa fast genauso weit entfernt wie Dar es Salaam! Will der Deutsche etwa fliehen? Über die grüne Grenze nach Moçambique? Dann hat er sie nicht mehr alle. Vom Grenzort bis zum nächsten Flughafen mit internationalem Verkehr und einer diplomatischen Vertretung in Maputo sind es fast 3.000 Kilometer Buckelpiste, meilenweit immer noch vermint dank der Terroristen der Renamo, wie alle Welt doch wissen müsste. Weiß man in Deutschland etwa nichts davon?
Während ich über Petermanns seltsame Reiseroute nachdenke, verrinnt die Zeit. Den Schalter des Ticketbüros am Sokoine Drive, das mir der Taxifahrer beschrieben hat, erreiche ich fünf Minuten zu spät: Er ist seit elf geschlossen. Karten für das Schiff gibt's erst wieder morgen früh ab eins. Ablegen soll es um drei – neun Uhr muzungu-time –, gegen elf am Nachmittag gibt's einen Halt zum Aus- und Einschiffen von Passagieren vor der Insel Mafia. Sonntag Vormittag soll die „Canadian Spirit“ in Mtwara sein.
Das Erlebnis mit Nyaucho heute Morgen hab ich die ganze Zeit verdrängt. Jetzt bekomme ich plötzlich Beklemmungen beim Gedanken, noch einmal für eine Nacht zurück in dessen Haus zu müssen. Andererseits bin ich dort mit Honorata verabredet und außerdem lebt da ja auch Majorie. So sehr es mich auch drängt: Der Situation werde ich mich kaum entziehen können.
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27. Hannes lernt, wie Honorata rechnet
Seit fast zwei Stunden sitze ich auf einem Baumstumpf hinter einer Mauer schräg gegenüber von Nyauchos Hof und warte. Irgendwann muss Honorata ja
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