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Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Titel: Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Barkawitz
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Moment zu lange. Er drehte den Kopf zur Seite, konzentrierte sich dann aber schnell wieder auf sein Gegenüber. Zu schnell, wie Boysen fand. Der Beamte schaute in die Richtung, in die der Stauervize kurz geblickt hatte.
    Ein hagerer Kerl in dreckiger Schauermann-Kleidung machte sich mit wiegendem Seemanns-Gang in Richtung Maschinenraum auf. In seinem Gürtel steckte ein schwerer Hammer, wie die Kedelklopper ihn benutzten.
    Boysen biss sich auf die Unterlippe. Dieser Mensch musste Pjotr sein. Der Offiziant konnte sich meistens auf sein Gespür verlassen. Er ließ den Stauervizen stehen und eilte mit schnellen Schritten hinter dem Kedelklopper her. Boysen war noch ungefähr 100 Meter von ihm entfernt, als ein schriller Pfiff ertönte.
    Es war nicht klar, welcher von den Schauerleuten den Kameraden gewarnt hatte. Jedenfalls bemerkte der Kedelklopper, dass Boysen es auf ihn abgesehen hatte. Er begann zu laufen.
    »Jetzt bist du fällig, Pjotr!«, rief jemand lachend.
    Boysen fluchte laut vor sich hin, während er ebenfalls zu rennen begann. Der Kedelklopper raste über eine eiserne Leiter hinab in den Maschinenraum. Während der Liegezeit stand der Frachter natürlich nicht unter Dampf. Daher konnte Pjotr durch das sogenannte Mannloch in dem großen Kessel verschwinden.
    Boysen blieb vor dem mächtigen Eisenbehältnis stehen. Dort drin war eine andere Welt mit ihren eigenen Regeln, das wusste er. Die Kedelklopper waren eine verschworene Gemeinschaft. Ihre harte und gefährliche Arbeit hatte sie zusammengeschweißt. Natürlich wusste Boysen nicht, wie viele von Pjotrs Kameraden sich dort drin befanden. Es mussten einige sein, den dumpfen Hammerschlägen nach zu urteilen, die aus dem Inneren des Dampfkessels drangen. Wenn sie merkten, dass Boysen hinter einem von ihnen her war, würden sie aus dem Udel Hackfleisch machen.
    Boysen wusste nicht, ob es noch ein zweites Mannloch gab, durch das der Verdächtige entkommen konnte. Hier auf dem Schiff gab es keine Möglichkeit, mit der Signalflöte Verstärkung zu rufen. Bis der Offiziant zur Polizeiwache zurückgelaufen war, würde Pjotr über alle Berge sein. Vielleicht hatte der Kedelklopper mit den Frauenmorden gar nichts zu tun, denn ein Messer war bei keinem der Opfer zum Einsatz gekommen. Aber der verrückte Russe hatte sich verdächtig gemacht, darüber konnte man nicht einfach hinweggehen.
    Seufzend legte Boysen sein Koppel mit dem Dienstsäbel ab. Die Blankwaffe würde ihn behindern, wenn er durch den Einstieg klettern wollte. Sollte er im Inneren des Dampfkessels vielleicht die Klinge schwingen? Allein die Vorstellung war absurd. Der Offiziant setzte seine Blendlaterne in Betrieb. Er nahm ihren eisernen Ring zwischen die Zähne.
    Dann hob er die Arme und ließ sich in das Mannloch gleiten. Man musste schlank sein, um das zu schaffen. Aber bei ihrer Knochenarbeit konnten die Kedelklopper ohnehin kein Fett ansetzen.
    Boysen wurde von einem Höllenlärm empfangen. Der Krach war schon außerhalb des eisernen Verlieses groß gewesen, hier drin fand der Udel den Geräuschpegel unerträglich. Die Männer droschen mit ihren Werkzeugen auf die steinharten Beläge ein, um die Rohre von ihnen zu säubern.
    Aber wo waren die Kedelklopper?
    In seiner unmittelbaren Umgebung konnte Boysen keinen Menschen sehen. Er ließ den Lichtkegel seiner Blendlaterne umherwandern. Aber natürlich benötigten auch die Arbeiter Licht für ihre schweißtreibende Tätigkeit. Boysen wusste, dass jeder Kedelklopper mit einer Karbidlampe ausgestattet war. Also musste er sich in der Finsternis auf die Suche nach weiteren Quellen der Helligkeit machen.
    Der Offiziant bewegte sich geduckt vorwärts. Nicht nur der Krach, auch der Gestank war gewöhnungsbedürftig. Die Hafengassen von Hamburg wurden nicht gerade von Wohlgerüchen des Orients durchweht, aber der Mief im Kesselinneren übertraf alles, was Boysen bisher miterlebt hatte. Maschinenöl und Moder verbanden sich zu einer ekelerregenden Mischung. Auch die Hitze spottete jeder Beschreibung. Eigentlich mussten die Kessel erst richtig auskühlen, bevor die Kedelklopper mit ihrer Arbeit beginnen konnten. Aber kaum ein Reeder hielt sich daran, denn durch Verzögerungen wurde der Gewinn geschmälert.
    Wenn ich wieder draußen bin, werde ich erst mal eine Woche lang kotzen! , beschloss Boysen spontan. Aber zunächst gab es eine Aufgabe, die er erledigen musste.
    Nach Pjotr zu rufen war aufgrund des Lärmpegels völlig sinnlos. Boysen musste den Kedelklopper

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