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Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Titel: Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Barkawitz
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das sein?«
    »Eine Dame wurde von einem Verdächtigen angegriffen. Sie konnte ihm im Handgemenge einen Manschettenknopf entreißen, der offenbar für Carl Lütke angefertigt wurde.«
    »Einen Manschettenknopf!«, wiederholte Lanke höhnisch. »Haben Sie schon einmal gehört, dass Manschettenknöpfe auch gestohlen werden können, Boysen?«
    »Ich ...«
    »Sie haben sich im Hause Lütke aufgeführt wie die Axt im Wald. Es ist völlig absurd, den Sohn einer so honorigen Familie mit Verbrechen am untersten Rand der Gesellschaft in Verbindung zu bringen. Ist Ihnen die Hitze zu Kopf gestiegen, Boysen? – Wie auch immer, ich verbiete Ihnen hiermit, die Lütkes noch ein weiteres Mal zu belästigen. Haben wir uns verstanden?«
    »Herr Inspector ...«
    »Haben wir uns verstanden?«, brüllte Lanke.
    Boysen atmete tief durch. Wenn er nicht ab dem nächsten Tag wieder als normaler Constabler Dienst tun wollte, dann gab es nur eine mögliche Reaktion. Der Offiziant salutierte.
    »Jawohl, Herr Inspector!«, presste Boysen zwischen den Zähnen hervor.
    »Die Cholera-Epidemie erschwert unseren verantwortungsvollen Polizeidienst«, erklärte Lanke nun jovial. Schlagartig schien sich seine Stimmung gebessert zu haben. »Vielleicht habe ich Ihnen zu viel zugemutet, Boysen. Unter den momentanen Umständen einen Mörder zu fangen, erscheint mir geradezu unmöglich. Wir sollten uns jetzt ganz auf die Bekämpfung der Seuche konzentrieren. Ab dem heutigen Datum steht die Stadt Hamburg unter Quarantäne. – Damit müssen wir fertig werden.«
    Boysen und seine Kollegen schwiegen. Diese Ankündigung mussten sie erst einmal verdauen. Eine Hafenstadt lebte von der Einfuhr und Ausfuhr, vom regen Austausch mit dem Umland sowie den fernen Ländern, aus denen Schiffe den Hafen anlaufen wollten. Wenn dieser Warenfluss durch Quarantäne-Maßnahmen unterbrochen wurde, bedeutete das für Hamburg den wirtschaftlichen Erstickungstod. Nun erst begriffen die Constabler das volle Ausmaß der Cholera-Katastrophe.
    Wie viele Menschen wohl schon gestorben sind?, fragte sich Boysen. Gleichzeitig war ihm klar, dass ein einzelnes Menschenleben momentan nicht viel zählte, nicht angesichts der allumfassenden Krise für ganz Hamburg. Eine Morduntersuchung erschien unter diesen Umständen beinahe bedeutungslos.
    Außer für Boysen selbst. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, den Mörder zur Strecke zu bringen. Das war er den Opfern des Schauermanns einfach schuldig. Wenn ein Mensch an einer ansteckenden Krankheit starb, dann war das Gottes Wille. Aber nach Boysens Meinung hatte niemand das Recht, seine Mitmenschen zu ermorden.
    Der Offiziant war in seine Grübeleien versunken. Er bemerkte gar nicht, dass Lanke inzwischen schon wieder verschwunden war. Boysen stand mitten im Wachtlokal. Die anderen Udels starrten ihn mehr oder weniger unverhohlen an. Ihre Blicke zeigten eine Mischung aus Bewunderung und Scheu. Es war klar, dass Boysen momentan bei Lanke auf der Abschussliste stand. Wenn ein anderer Polizeibeamter sich mehr als nötig mit ihm einließ, würde dieser mit in den Abwärtsstrudel gezogen werden.
    Boysen fragte sich, wie Lanke so schnell hatte reagieren können. Noch während Boysen auf dem Rückweg von Blankenese gewesen war, musste der Inspector die Nachricht vom Auftritt des Offizianten im Haus des Reeders bekommen haben. Im nächsten Moment beantwortete sich Boysen die Frage selbst. Ein reicher Mann wie Lütke verfügte selbstverständlich über einen dieser neumodischen Telefonapparate. Im Jahr 1888 war mit dem Ausbau eines Fernsprechnetzes in der Hansestadt begonnen worden, und natürlich verfügte auch das Stadthaus über einen Fernsprecher. Boysen hatte noch niemals telefoniert. Er wollte beim Sprechen seinem Gegenüber in die Augen sehen. Seiner Meinung nach reichten die Telegrafenapparate, mit denen die Polizeiwachen ausgestattet waren, völlig aus. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es in Hamburg jemals mehr als insgesamt 50 Telefone geben würde.
     
    Boysen fragte sich, wie es nun für ihn weitergehen sollte. Da krachte es plötzlich am Eingang des Dienstgebäudes. Constabler Tobergte kam in die Brooktor-Wache gestürzt.
    »Wir haben den Mädchenmörder gefangen!«, rief er. »Kommt schnell, Laurent hält ihn fest!«
    Boysen und noch drei weitere Udels rannten hinaus. Sie folgten dem aufgeregten Tobergte, der voraus lief. Constabler Tobergte hatte zu den Männern gehört, die das erste Mordopfer Marie Stevens mit eigenen Augen gesehen

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