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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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mindestens ebensogut ausgestattet wie in jenem indischen Zelt, das Diana bisher für den Inbegriff luxuriösen Komforts gehalten hatte. Zilahs Französischkenntnisse waren zwar mangelhaft, aber sie besaß geschickte Hände. Allerdings wußte sie nichts von der komplizierten Toilette einer Europäerin, die ihr immer wieder ein Kichern entlockte. Doch als Diana sie streng ansah, verstummte sie sofort.
Natürlich war Diana nicht zum Lachen zumute. Trotzdem konnte sie sich angesichts der drolligen Mißverständnisse ein Lächeln nicht verkneifen. Sie wußte zwar nicht, warum, aber die großen, staunenden Augen, die Scheu des Mädchens, ihr unzulängliches Französisch und ihre kindliche Neugier gaben ihr einen Teil ihrer Selbstbeherrschung und ihres Stolzes zurück. Entschlossen verbarg sie alle ihre Gefühle vor Zilahs freundlichem, forschendem Blick.
Das heiße Bad linderte die Schmerzen in ihren Gliedern, und ihr Gesicht bekam wieder etwas Farbe. Sie wusch sich sogar die glänzenden Locken und schrubbte sich von Kopf bis Fuß ab, denn nach der letzten Nacht fühlte sie sich beschmutzt. Doch die Badetücher, die ihr gereicht wurden, waren ebenso makellos sauber wie die Finger des Mädchens mit den gepflegten Nägeln.
Etwas später ging sie ins Schlafzimmer, wo Zilah auf den Knien lag und die spärliche, aber hochinteressante Garderobe der Europäerin begutachtete. Verwirrt und zaghaft strich sie über das Abendkleid, dann reichte sie ihr mit zaudernden Händen den Tweedrock, der für die Weiterreise nach der Ankunft in Oran bestimmt war. Aber Diana legte ihn beiseite und zeigte auf ihre Reitkleidung, in der sie sich sicherer fühlte. Sie empfand diese Sachen wie einen Schutzschild zwischen sich und dem, was ihr möglicherweise noch bevorstand. Darin würde sie sich wieder wie die wahre Diana fühlen - wie ein Junge, nicht mehr wie das zitternde weibliche Wesen, das letzte Nacht unter Tränen und Schmerzen geboren worden war. Die Lippen zusammengepreßt, schlüpfte sie zornig in die hohen Stiefel.
Sie schickte das Mädchen weg und bemerkte, daß es nicht durch den angrenzenden Raum ging, sondern hinter dem Vorhang des Badezimmers verschwand. Warum? Hieß das, daß der Scheich nebenan wartete? Dieser Gedanke verscheuchte die neugewonnene Selbstbeherrschung. Kraftlos sank sie aufs Bett und schlug die Hände vors Gesicht. War er da drüben? Vorhin hatte sie die kleine Dienerin nur nach der Umgebung des Lagers und dem Schicksal ihrer Eskorte gefragt, war aber unfähig gewesen, den Mann zu erwähnen. Die seltsame Angst, die er in ihr geweckt hatte, erfüllte sie mit Wut. Noch nie war sie so gedemütigt worden! Und beim Gedanken, ihn Wiedersehen zu müssen, schämte sie sich entsetzlich.
Doch ihr Stolz besiegte die Angst, die sie zu überwältigen drohte. Es war besser, dem Unausweichlichen freiwillig ins Auge zu blicken, als gegen ihren Willen geholt zu werden. Nur zu gut kannte sie die Muskeln ihres Entführers. In körperlicher Hinsicht war sie ihm nicht gewachsen. Sie hob den Kopf und lauschte. Nebenan rührte sich nichts. Vielleicht wurde ihr noch eine Galgenfrist gegönnt. Dann aber ärgerte sie sich über ihr Zögern. «Memme!» flüsterte sie wieder ärgerlich und stürmte durch den Raum. Vor dem Vorhang hielt sie kurz inne, ehe sie ihn beiseite zog.
Tatsächlich, man billigte ihr eine Galgenfrist zu. Der Raum war anscheinend leer. Aber während sie über den dicken Teppich schritt, schlug ihr Herz plötzlich schneller, denn ein Mann stand in der Öffnung des Zelts. Obwohl er ihr den Rücken zuwandte, erkannte sie sofort, daß die kleine, schlanke Gestalt im weißen europäischen Leinenanzug keinerlei Ähnlichkeit mit dem hochgewachsenen Araber aufwies, den sie zu sehen erwartet hatte. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß er sie hören würde, doch er drehte sich um und machte höflich einen Diener. Er war ein typischer Franzose mit schmalem, aufgewecktem, glattrasiertem Gesicht, glatten schwarzen Haaren und wachen dunklen Augen. Er hatte Säbelbeine und leicht gebeugte Schultern - offenbar ein Jockey -, und er besaß die Manieren eines gut ausgebildeten Butlers.
Als sie unter seinem Blick errötete, sah er sofort zu Boden. «Zweifellos möchte Madame den Lunch einnehmen.» Er sprach sehr schnell. Aber seine Stimme klang sanft und angenehm, und seine Bewegungen waren geschickt und elegant. Wenig später saß Diana vor einer köstlich zubereiteten, tadellos servierten Mahlzeit. Der Mann schwirrte fürsorglich um sie

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