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Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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ist so heiß, dass sie glatt auf den Titel kommen könnte! Auf die erste Seite!«, murmelte sie und zückte ihren zerfledderten Notizblock.
    Ich schnaubte. Soweit ich gesehen hatte, bestand Sarah Janes Amateurzeitung ohnehin nur aus einer Seite. Alles, was sie schrieb, kam auf den Titel.
    »Ich hab’s zwar schon gesagt, aber ich wiederhol’s gern«, fuhr das Mädchen fort: »Hochzeiten sind verkaufstechnisch der absolute Bringer, Cowboy. Und eine Hochzeit mit superduper Spezialeffekten und verrückten Stunts bringt sogar noch mehr Auflage. Die Schmetterlinge waren auch hübsch. Ich nehme an, das ging auf Mr O’Connells Konto?«
    »Was weißt du denn über meinen Onkel?«
    »Ich weiß, dass er sich gut mit Insekten auskennt. Die Leute in der Gegend bitten ihn andauernd um Hilfe. Vor ein paar Jahren hat er sogar ein Wespennest draußen vor meinem Schlafzimmerfenster entfernt. Aber er hat es nicht angesprüht oder so was. Er ist einfach auf eine hohe Leiter gestiegen wie ein Ritter, der einen Turm erklimmt, ein paar Minuten da oben stehen geblieben, als würde er ein Schwätzchen mit den Wespen halten, und dann hat er das Nest mit bloßen Händen abgenommen. Mit bloßen Händen «, wiederholte sie und gestikulierte mit ihrem Stift in der Luft herum.
    »Er ist nicht gestochen worden. Nicht ein einziges Mal. Er hat das Nest einfach in seinem Wagen auf den Sitz gelegt – in seinem Wagen! « Sarah Jane pfiff bewundernd durch die Zähne. »Du hast eine interessante Familie, Cowboy. Auf was für Merkwürdigkeiten werde ich noch stoßen, wenn ich hier ein bisschen rumstöbere?«
    Ich antwortete nicht. Dazu kam ich nicht mehr, denn Moms Schimmergriff löste sich und meine Glieder erwachten mit einer ruckartigen Bewegung wieder zum Leben. Ich schoss schneller aus dem Stuhl hoch als am letzten Schultag vor den Ferien. Wie eine aufgezogene Spielzeugfigur gewann ich stockend meine Handlungsfähigkeit zurück.
    Ich schüttelte meine Beine aus und drehte mit einem lauten Knacken den Hals hin und her, als mir plötzlich der aus der Talmulde heraufdringende Lärm bewusst wurde; das Hochzeitsfest war mittlerweile in vollem Gange. Während die Sonne langsam über den Hügeln im Westen unterging, drang Licht aus den offenen Scheunentoren. Es wurde so wild getanzt, dass die Balken und Dachsparren bebten.
    Sarah Jane hielt den Blick nach unten auf die Scheune gerichtet und sah aus, als wäre sie in Gedanken bereits bei der neuesten Ausgabe des Sundance Express . Während sie in der einen Hand den Bleistift drehte, strich sie mit der anderen ihren Notizblock über die bröckelige Rinde der Birken. Dann ging sie ein Stück weiter, um sich an die Wacholderstümpfe zu lehnen, und stieß dabei versehentlich sowohl die Blumen als auch das Erdnussbutterglas zu Boden.
    Ich atmete laut auf, als das Glas in einem Sicherheitsnetz aus trockenem Gras und Kiefernnadeln landete. Nachdem Sarah Jane ihren Bleistift in die Spirale des Blocks gesteckt hatte, richtete sie die Blumen wieder auf und bückte sich dann nach Omas Glas.
    »Fass das nicht an!«, rief ich, während ich mir einen Weg durch das Meer aus Plastikstühlen bahnte. In dem Glas brachen sich die letzten schrägen Sonnenstrahlen, so dass es orange und rosa in Sarah Janes Hand leuchtete. Ich ging mit ausgestrecktem Arm vorsichtig auf sie zu, als hielte sie, ohne es zu wissen, eine Dynamitstange aus einem Comic in der Hand.
    »Stell das schnell wieder hin.«
    Sarah Jane sah mich an und betrachtete dann mit hochgezogener Augenbraue das Glas. Bevor ich sie daran hindern konnte, ließ sie ihren Block fallen und lockerte den Deckel des Glases. Das knackende und rauschende Radiosinfoniekonzert entwich in voller Lautstärke. Eine Druckwelle aus Tönen überflutete die leere Waldwiese und Sarah Jane zuckte erschrocken zusammen. Sofort ließ sie das Glas wieder fallen und hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu.
    Ich sah das Erdnussbutterglas in Zeitlupe auf einen spitzen Stein zufallen und preschte nach vorn, denn wenn es zerbrach oder der Deckel ganz abging, war Oma Dollops mühevoll eingefangene Rundfunksendung für immer verloren. Bäuchlings über den Boden rutschend gelang mir ein preisverdächtiger Fang, und noch während ich wieder auf die Knie hochkam, drehte ich den Deckel fest zu.
    »Was zum …? Die Musik kam aus diesem Ding?«, fragte Sarah Jane und zeigte auf das Glas.
    »Natürlich nicht«, log ich schlecht. »Ich … ich meine, vergiss es einfach. Vergiss alles!« Ich stand auf,

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