Der Schimmer des Ledger Kale
die Erde herab und löschen alles Leben aus‹-sauer? Er ist weggefahren, Ledge. Er hat alle seine Arbeiter und alle seine Bagger mitgenommen. Er wollte zur Ranch deines Onkels – er wird alles dem Erdboden gleichmachen!«
»Aber … das darf er nicht! Zumindest noch nicht! Autry kann es noch rechtzeitig schaffen. Er ist in Cheyenne. Er bekommt das Geld und …« Ich brach ab. Als ich in SJs Gesicht schaute, sah ich, dass nichts davon mehr von Bedeutung war. Mr Cabot lief Amok.
Ich wandte mich ab, um so schnell zur Ranch zu fliegen, wie ich nur konnte. Aber Sarah Jane hielt mich am T-Shirt fest.
»Ledge! Es gibt keine Möglichkeit, ihn aufzuhalten. Es ist zu … zu …« SJ schniefte und stammelte und war nicht in der Lage, den Satz zu beenden. Was hatte sie mir sagen wollen? Dass es zu spät war? Zu gefährlich? Das war mir egal.
»Du verstehst es nicht!«, sagte ich und machte mich los. »Es ist niemand da, SJ. Niemand, der irgendwas dagegen tun kann.« Nicht einmal die Zwillinge würden da sein, um ihr Zuhause vor Cabot zu beschützen, nicht, wenn sie losgezogen waren, um in den entlegensten Ecken des Fliegenden Ochsenauges nach Eva Maes Märchenschatz zu graben. Sicher, der unsichtbare Samson konnte Noble Cabot vielleicht die Schnürsenkel zusammenbinden oder den Arbeitern mit seinem Schatten Angst einjagen. Aber was würde das gegen Planierraupen ausrichten?
»Ich muss los«, sagte ich, da ich wusste, dass das Schicksal der Ranch sonst von einem dreibeinigen Hund abhängen würde. Unter meiner Haut wimmelte es nur so von Ameisen. Am liebsten hätte ich auf der Stelle Noble Cabots Haus eingerissen. Ich konnte Sarah Janes Vater dasselbe antun, was er gerade mit meinem Onkel vorhatte. Was er bereits dem T-Shirt-Laden in der Stadt angetan hatte. Was er mit Willies Schnäppchenmarkt vorhatte und auch mit dem Schrottplatz.
Und ich brauchte keine Planierraupe und keine Abrissbirne dafür.
»Nein, Ledge.« Sarah Jane flüsterte meinen Namen, als wüsste sie, was in mir vorging, und ihre Stimme riss mich vom Abgrund weg, von einem gefährlichen Kliff, und ich hatte gar nicht gesehen, dass ich mich ihm näherte. Ich wusste, dass ich mich entscheiden konnte, so zu werden wie Mr Cabot. Oder ich konnte mich für einen anderen Weg entscheiden.
Den Weg des Ledger Kale.
»Ich muss los«, sagte ich wieder.
»Er ist mein Dad, Ledge.«
»Und?«
» Und – ich komme mit!« Sarah Jane wischte sich über die Augen und schlüpfte in ihre Schuhe. Ich stand auf Socken da und konnte es kaum erwarten, endlich loszulaufen, während ich ausharrte, bis SJ ihre grünen Chucks zugebunden hatte – dieselben Chucks, mit denen sie am allerersten Tag in Sundance auf meine Schnürsenkel getreten war. An dem Tag, an dem das alles begonnen hatte.
»Gut«, sagte ich. »Aber wenn du nicht schnell genug bist, musst du eben hinterherlaufen.« Ich drehte mich um, schoss aus dem Zimmer und blieb auf der Stelle stehen – oder wäre auf der Stelle stehen geblieben, wenn ich wegen meiner Socken nicht direkt in den Hausdrachen hineingeschlittert wäre, der oben auf dem Treppenabsatz stand. Hedda hielt den Besen in der einen und ihre aufgerollte Illustrierte in der anderen Hand und starrte mich wütend an, als wäre ich ein Insekt, das sie gern platt klopfen würde.
Mir fiel eine Überschrift in ihrer Illustrierten ins Auge; sie wäre des Sundance Express würdig gewesen:
Mars sucht Haushälterinnen
Hedda hielt offenbar Ausschau nach einem neuen Job … oder einem neuen Planeten.
Ich konnte mich schlecht an ihr vorbeiquetschen – schließlich wollte ich die Frau nicht die Treppe hinunterschubsen –, hatte aber auch keine Zeit, um sie herumzuspazieren. Ich trat einen Schritt zurück und geriet dabei auf einem von SJs Stiften ins Rutschen. Plötzlich kam mir eine Idee. Ich bückte mich, um ihn aufzuheben.
Ich wich noch ein paar Schritte zurück und steckte den Stift Sarah Jane zu, dann fischte ich eine der losen Notizblockseiten aus meiner Hosentasche und reichte sie ebenfalls an sie weiter.
»Was soll ich damit? Mir Notizen machen?«
Ich packte SJs Arm, zog sie zu mir hin und flüsterte ihr genau ins Ohr, was sie schreiben sollte. Sie sah mich an, als glaubte sie, mir wäre die letzte Sicherung durchgebrannt, aber sie verschwendete keine Zeit mit Fragen. Sarah Jane schrieb schnell auf das Papier, das sie an meinen Rücken drückte. Dann reichte sie mir den beschriebenen Zettel und beobachtete, wie ich wieder auf Hedda zuging
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