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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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festhalten, um sich so auf die andere Seite zu ziehen. Hannah gab die Idee gleich wieder auf. Die Schmerzen würden unerträglich sein. Sie würde mit ihrem ganzen Gewicht an den Handgelenken hängen, waagerecht, und sollte sich dann auch noch mit den Beinen nach drüben ziehen?
    Sie hörte ihn draußen auf dem Flur. Irgendwo. Kam er näher? Es war unmöglich zu sagen. Sie schloss die Augen, sprang vom Stuhl ab und schleuderte die Beine zur anderen Seite hinüber. Waren beide Handgelenke gebrochen? Es fühlte sich auf jeden Fall so an. Beim ersten Versuch gelang es ihr nicht, die Füße hinter dem Rohr zu verkeilen. Ein neuer Versuch. Dieses Mal tat es nicht so weh. Vielleicht war das das Geheimnis der Schmerzen, dachte sie. Sie feuerten ihr ganzes Pulver beim ersten Mal ab. Dieses Mal hatte sie Erfolg, fand mit der Ferse Halt an dem senkrechten Rohr und hing damit gestreckt unter der Decke. Zentimeter für Zentimeter schob sie sich zur anderen Seite hinüber. Mehrmals war sie kurz davor, den Halt mit den Füßen zu verlieren, aber es gelang ihr immer wieder, sich festzuklammern, sodass sie ihrem Ziel unendlich langsam näher rückte. Halbwegs. Sie schloss die Augen. Dann zog sie sich weiter heran, näher, näher , bis sie irgendwann an dem Rand war, wo das Rohr um 90 Grad nach unten abknickte und … Sie rutschte auf der anderen Seite hinunter und knallte mit dem Rücken gegen den Tisch.

22.
    Bispebjerg-Klinik – Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie
    Schultz brauchte sie nicht zu wecken. Silke schlief nicht. Niels sah es an ihren wachen Augen, als sie sich aufrichtete.
    »Silke. Hier ist ein Mann, der gerne mit dir reden würde.«
    Schultz setzte sich auf die Bettkante.
    »Er ist von der Polizei. Er möchte dir ein paar Fragen stellen.«
    Silke sah erst Niels an, dann den Arzt. Schultz nahm ihre Hand. Sie ließ ihn gewähren. Ohne jede Verteidigung.
    »Fünf Minuten«, sagte Schultz mit einem Blick auf Niels.
    »Allein.«
    Der Psychiater wollte protestieren, aber Niels trat einen Schritt zurück und öffnete die Tür.
    Schultz sah seine Patientin an: »Ich bin direkt vor der Tür, Silke.«
    »Das ist schon in Ordnung. Sie müssen mich nicht so gefährlich darstellen. Ich bin von der Polizei. Ich bin hier, um auf sie aufzupassen.«
    Schließlich erhob sich der Arzt und ging widerstrebend auf den Flur. Niels schloss die Tür und setzte sich auf die Bettkante. Silke sah zu Boden und begann, an ihren Nägeln zu kauen, begrub die Hände dann aber unter der Bettdecke. Sie war schön. Ihre dunklen Augen suchten tief in ihrem Kopf Schutz. Etwas in ihrem Blick ließ Niels an ein verängstigtes Tier denken.
    »Silke. Ich glaube, dein Vater hat etwas richtig Dummes getan.«
    Sie bewegte sich nicht.
    »Ich glaube, dein Vater hat meine Frau als Geisel genommen. Weil er aus irgendeinem Grund glaubt, dass sie ihm helfen kann.« Niels versuchte, ihrem Blick zu begegnen. »Was meinst du, wobei soll sie ihm helfen Silke?«
    Er nahm ihre Hand. Eine schlaffe Puppenhand. Kein Widerstand.
    »Wohin hat er meine Frau gebracht? Kannst du mir da helfen? Wenn ich richtig rate, könntest du dann meine Hand drücken? Sollen wir das mal probieren?«, flüsterte Niels.

23.
    Nördlich von Kopenhagen, 22.56 Uhr
    Die Übersicht über das Alphabet hing an der Wand vor dem Tisch. Die Zahlen daneben. So, dachte Hannah. Ordentlich. Strukturiert. Hier würde irgendwann ein Mann oder eine Frau in Uniform sitzen und einen letzten Gruß an die Welt morsen. Monotone Piepslaute, die wie die Violinen auf der Titanic den großen Untergang begleiteten. Nur mithilfe kurzer und langer Töne. Punkte und Striche, die 29 Buchstaben bildeten. Wobei die Buchstabenkombination CH einen eigenen Platz im Alpha bet bekommen hatte. Vier Striche. Warum? Um »Christ« oder »Churchill« schneller schreiben zu können? Nein, dachte Hannah. Vielleicht weil man auf Englisch morste. Samuel Morse. Amerikaner oder Brite? Sie wusste nicht viel über ihn. Doch, ein Detail schon: Er war nicht nur Erfinder, sondern auch ein begabter Porträtmaler gewesen, eine ungewöhnliche Kombination. Hannah starrte auf den Morseapparat und schüttelte den Kopf. Eine simple Konstruktion, ein primitives Kommunikationsmittel. Es sah aus wie ein undefinierbarer Gegenstand im Schaufenster eines Antiquitätenhändlers irgendwo in einer Kopenhagener Neben straße. Ein Gegenstand, für den niemand mehr Verwendung hatte. Auf der ganzen Welt. Und doch stand er da. Wie ein Vor bote einer Zeit, in der

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