Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
nicht, der einzige Ausgang war verschlossen, und Fenster gab es keine. Außerdem musste sie auch noch unter dem Einfluss des Betäubungsmittels stehen. Bestimmt rannte sie wie ein kopfloses Huhn herum, sodass er sie ganz bald finden würde. Sie war fertig, und das würde auch ihr irgendwann bewusst werden. Er kannte sich hier aus, kannte alle Räume, alle Gegenstände und wusste, wo Türen, Flure, Sackgassen und Belüftungsschächte waren. Als Bereitschaftsarzt war er im Laufe der Jahre bei einer Unzahl von Übungen hier unten gewesen. Und er hatte den Auftrag, darauf zu achten, dass die medizinische Ausrüstung immer einsatzbereit blieb.
Es war wie ein Katz-und-Maus-Spiel. So musste er das sehen.
Ruhig, flüsterte Adam Bergmann sich zu. Es gab keinen Grund, kopflos herumzurennen. Er sah zu der Tür des Technikraums. Und schloss ihn auf. Die betongrauen Generatoren summten. Es roch nach Staub. Sollte er den Strom ausschalten? Alle Gänge und Räume in absolute Finsternis hüllen? Nein, damit würde er ihr nur helfen. Stattdessen schaltete er die zusätzliche Notbeleuchtung ein, sodass auch noch der letzte Winkel ausgeleuchtet wurde und man sich nicht verstecken konnte. Die Telefonkabel sammelten sich in einem dicken Kabel, das in einem Stecker verschwand. Auch in dieser Hinsicht war der Ort ein technologischer Anachronismus. Es war nicht leicht, den Stecker herauszuziehen, er war fast in der Wand festgewachsen, aber schließlich gelang es ihm, die Telefonverbindung zu kappen. Zur Sicherheit trat er fest auf den Stecker, sodass er nicht mehr in die Dose passte. Dann ging er zurück auf den Flur, blieb still stehen und lauschte. Er wartete, bis seine Augen sich an das grelle, gelbliche Licht gewöhnt hatten. Es war ebenso künstlich wie das Natriumlicht auf öffentlichen Toiletten, das alle Farben in Nuancen von Schwarz und Gelb verwandelte. Da. Er sah sie. Ihren Rücken, sie lief von ihm weg. Sie will zum Telefon, sagte er zu sich selbst. Sie ist nicht dumm, natürlich nicht. Er wusste alles über Hannah. Hatte sich über ihren Background erkundigt. Ihre wissenschaftliche Karriere, die sie an die Wand gefahren hatte. Sie hatte als eine der größten Begabungen der Universität gegolten, bis ihr Sohn Selbstmord begangen hatte. Danach war sie in sich zusammengefallen. Vielleicht hatte er auf einem der Uni-Jubiläen sogar einmal mit ihrem berühmten Mann Gustav gesprochen? Ein Lebemann, der seinen eigenen Wert kannte. Ein Larger than life -Typ, die Antwort der Mathematik auf Ernest Hemingway, wie es einmal in irgendeiner Zeitschrift gestanden hatte. Sie warf einen Blick über die Schulter, entdeckte ihn aber nicht. Dann sah er, wie sie den Hörer nahm und anzurufen versuchte. Sogar von Weitem konnte er sehen, wie sehr ihre Finger zitterten.
Er schlich sich langsam an sie heran. Als er direkt hinter ihr war, packte er ihren Hals und ihre Arme und hielt sie fest.
Sie schrie und versuchte, sich aus seinem Griff zu winden.
»Das ist doch sinnlos«, sagte er so ruhig er konnte.
Sie drehte sich um. Ihre Augen waren angstvoll aufgerissen, und sie stammelte unzusammenhängend. Ihre Worte überschlugen sich: »Lass mich los! Was willst du von mir? Wo bin ich? Was …«
»Versteh das doch, Hannah.« Er legte seine Hand auf ihren Mund. Glaubte einen Augenblick lang, dass sie ihn beißen würde. »Du musst nicht versuchen zu fliehen. Du musst mir helfen.«
Nein, sie würde nicht beißen. Sie war wie gelähmt, paralysiert. Ihn so dicht vor sich zu haben, ihm direkt in die Augen zu schauen, seinen Atem auf dem Gesicht zu spüren, hatte ihren letzten Willen, ihre letzte Kraft gebrochen. Sie hatte aufgegeben. Er war fast …
Sie schlug ihn. Mit einer Kraft, die er niemals erahnt hätte, gewaltsam, überraschend, schmerzhaft, hämmerte ihre Faust direkt in sein Gesicht. Er schützte sich, und sie nutzte den Augenblick, um sich loszureißen. Einen Moment lang schien die Aktion von Erfolg gekrönt zu sein, denn er ließ sie vor Überraschung und Schmerz los, aber sie kam nicht an ihm vorbei und hing schließlich doch wieder an seinem Arm.
»Du Schwein!«, schrie sie.
Er hörte sie nicht, sondern schleppte sie hinter sich her zur nächstgelegenen Tür und warf sie auf den Boden. Er hatte Blut in den Augen. Musste die Wunde vielleicht sogar nähen, ehe er wei termachen könnte. Auf jeden Fall musste die Blutung erst einmal aufhören, dachte er, bevor er ihr das Knie in den Rücken drückte. Sie schrie und hörte deshalb das leise
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