Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
weiß genau, dass ihr etwas Schreckliches erlebt habt, Silke. Hörst du mich?« Er sah auf ihre Hand. Sie lag wie tot in der seinen. Er drückte sie. Fest. Versuchte, irgendeine Reaktion zu provozieren.
»Gib mir ein Zeichen, Silke. Sonst kann ich deinen Vater nicht retten.«
Schultz steckte den Kopf herein: »Ich glaube, das reicht dann langsam.«
»Oder habt ihr irgendwo eine Hütte? Einen Schrebergarten …?«
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?«
Niels drehte sich um. »Noch eine Minute.«
»Ich denke, es reicht.«
Niels hob seine Stimme. »Jetzt lassen Sie mich aber in Ruhe, oder wollen Sie in Handschellen gelegt werden, wegen Behinderung der Polizeiarbeit?«
»Das ist unerhört! Wenn Sie glauben, sich so verhalten zu können, sind Sie wirklich auf dem Holzweg«, rief Schultz und fuhr mit seinen Protesten fort: »Das Mädchen ist psychisch krank, Sie können doch nicht einfach …«
Eine Schwester kam hinzu. Im gleichen Moment bemerkte er, dass Silke seine Hand drückte. Er sah sie an. War das ein Zeichen? Ein Kontakt?
»Was war das?«, fragte Niels. »Was hat dich dazu gebracht, meine Hand zu drücken? Handschellen? Behinderung von Polizeiarbeit?« Nichts, keine Reaktion. Was hatte er gesagt? Oder was hatte Schultz gesagt?
»Wegen etwas, das ich gesagt habe?«
Nichts.
»Oder Schultz?«
Da, ein kaum spürbares Drücken.
»Er hat gesagt, dass du psychisch krank bist.«
Nichts.
Niels dachte nach. Was nicht leicht war mit Schultz hinter sich. Er redete wütend mit der Krankenschwester.
»Wir müssen mit seinem Vorgesetzten Kontakt aufnehmen. Polizei oder nicht, ich bin nicht bereit, mir das gefallen zu lassen.«
»Etwas, das Schultz gesagt hat?« Niels beugte sich dicht vor Silkes Gesicht und flüsterte.
Wieder drückte sie seine Hand.
»Dass ich auf dem Holzweg war? Im Wald?«
Ein letztes Drücken, und Niels spürte Schultz’ Hand auf seiner Schulter.
25.
Nördlich von Kopenhagen, 22.59 Uhr
Ein Strich und zwei Punkte. »D«. Sie legte die Buchstaben zusammen. »Love to the world«. Wie konnten die nur so schnell schreiben? Vielleicht hatten die ja schon so eine neue Maschine. Jetzt war sie an der Reihe. Die Hände hingen mit den Handschellen am Rohr fest, aber sie konnte den Knopf mit dem Ellenbogen erreichen. Oder auf den Tisch klettern und mit dem Fuß morsen. Sie entschied sich für letztere Lösung, kletterte hoch und hielt den Fuß über den kleinen Messingknopf. Und dann begann sie. SOS. Dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz. War sie zu schnell? Sie überlegte, noch einmal von vorne anzufangen, aber dazu fehlte ihr die Zeit. Schließlich hörte sie ihn irgendwo da draußen. Schritte. Einen Schlag gegen Metall. Der Apparat gab wieder Geräusche von sich. Drei lange und ein kurzes. Ihre Augen huschten zu der Tafel mit dem Morsealphabet, sie war jetzt hoch konzentriert:
O N T H E S E A .
On the sea, dachte sie. Auf dem Meer? Klar, man fragte sie, ob sie auf dem Meer war.
N O , morste sie. Wähle ein Wort, Hannah, dachte sie. Impri soned? Zu lang. Was dann? Hostage? Nein. Jetzt hatte sie es. Strich, Punkt, Strich, Punkt. Und dann ein »A« und ein »U«. Das »G« war leicht. Zwei Striche und ein Punkt. Es ging wirklich gut. Wenn sie es nur schaffte! Sie hörte ihn immer lauter herumkramen. Vergiss ihn. Das ist deine Chance. Fertig. » CAUGHT «.
Sie zögerte. Wurde für einen Moment von dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit übermannt. Das klappte doch nie. Was nützte es, wenn sie einer Person, die vielleicht 10 000 Kilometer entfernt war, morste, dass sie an einem Ort gefangen war, den sie nicht kannte? Das war auch nicht besser, als auf einem sinkenden Schiff zu stehen und eine Flaschenpost mit der Nachricht »Hilfe!« auf Reisen zu schicken. Dann begann Love to the World aufs Neue. Ein einfaches Wort. Es dauerte nur wenige Sekunden. » WHERE «. Bergmann sagte draußen auf dem Flur irgendetwas, das sie aber nicht verstand. Vergiss ihn .
Was jetzt? Denk nach, Hannah. Die einfachste, simpelste Lösung. Sie musste erklären, wo sie war. Einmal tief durchatmen und dann los.
26.
Bispebjerg-Klinik, 23.02 Uhr
Auf dem Holzweg . Im Wald . Niels stürmte über die Treppe nach unten und rief Casper an. Entweder hatte er das Handy ausge macht, oder er telefonierte. Auf jeden Fall meldete sich der Anrufbeantworter.
»Casper. Irgendetwas im Wald. Das verkaufte Sommerhaus. Oder vielleicht haben die Eltern der Frau ein Sommerhaus. Oder seine Eltern. Such! Du musst irgendetwas
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