Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
wir langsam wieder in die Vergangen heit zurückgebombt werden und die moderne Zivilisation gegen e inen unerwartet starken Gegner verliert. Einen Asteroiden. Einen Virus. Eine chemische Waffe. Erst wird es nur zwanzig Jahre zurückgehen. Das Internet verschwindet. Dann achtzig Jahre. Dann sind Fernsehen und Telefon weg, und schließlich … leben wir in einer Zeit, in der die moderne Gesellschaft nur noch eine vage Erinnerung ist. Dann bereiten wir unsere Mahlzeiten wieder aus dem zu, was wir selbst gefangen haben, und bewachen nachts das Feuer, damit wir nicht im Schlaf erfrieren.
Ein anderer Apparat lag neben dem Morseapparat, eingewickelt in durchsichtiges Plastik. Es war ein moderneres Morsegerät, das aber noch nicht angeschlossen war. Ärgerlich. Es wäre deutlich leichter zu nutzen gewesen, denn man konnte direkt auf die Buchstaben und Zahlen tippen, die dann in Morsesignale umgesetzt wurden. Aber noch hing das alte Gerät an den Kabeln. Bestimmt, damit man üben konnte. Ein handgeschriebener Zet tel neben dem Morsealphabet machte ihr Hoffnung: »2004 – Neues Zeichen hinzugefügt – Affenschwanz«, stand darauf, gefolgt von dem entsprechenden Zeichen. Wenn man noch immer Zeichen hinzufügte, musste das Ding ja noch in Verwendung sein. Warum sollte man das sonst tun?
Hannah lauschte, konnte ihn aber nicht hören. Die Zeit war knapp.
Wo schaltete man das Gerät ein? An der Wand waren ein alter Schalter und ein Lautstärkeregler. Voll ausgestreckt konnte sie den Knopf gerade mit dem Fuß erreichen. Mit dem Zeh. Klick. Erst geschah nichts. Bloß ein leises Rauschen, das aber ebenso gut aus ihrem Kopf stammen konnte. Dann ein Piepen. Leise, aber eindeutig. Sollte sie die Lautstärke etwas aufdrehen? Nein, das reichte. Nutz die Zeit, so gut du kannst, Hannah, sagte ihre innere Stimme. Sie lauschte, hörte genau hin und nahm kurze Piepslaute wahr, dann lange. Vier kurze. Zwei lange. Sie sah auf das Alphabet. Versuchte, die Geräusche zu decodieren. Eigentlich sollte sie sich darauf doch verstehen. Schließlich waren es nume rische Kombinationen. Sie las an der Tafel: »Zwischen den Morse zeichen eine Pause einfügen, entsprechend einem langen Zeichen, also einem Strich.« Und darunter: »Die Pausen zwischen den Wörtern sind dreimal so lang wie ein Strich.« Okay. Sie lauschte. Wartete auf eine Pause zwischen den Signalen. Da . Punkt, Strich, Punkt, Punkt. Ihre Augen überflogen das Alphabet, während sie dem nächsten Signal lauschte. Strich, Strich, Strich. Das war einfach, ein »O«. So was lernte man schon in der Schule. Und das erste war ein »L«. Dann folgten drei Punkte und ein Strich. » LOV «. Und zum Schluss nur ein Punkt? Oder was? Tatsächlich, nach dem letzten Punkt folgte eine lange Pause. Ihre Augen flogen über die Tafel. Da. Ein Punkt war ein »E«. Das hieß »love«.
24.
Bispebjerg-Klinik – Zentrum für Kinder- und Jugendpsychiatrie, 22.58 Uhr
Niels hörte Schultz’ ungeduldige Schritte draußen auf dem Flur. Er atmete tief ein und musterte das Mädchen. Dann fuhr er fort. Ohne Hoffnung, dass sie den Mund aufmachen würde. Aber was war mit den kleinen Zeichen, auf die er so gut trainiert war? Die Reflexe und Körpersignale, über die der Mensch nicht immer Herr war. Es waren diese Signale, nach denen er suchte.
»Vielleicht habt ihr ein altes Sommerhäuschen? Glaubst du, dass dein Vater meine Frau irgendwohin mitgenommen hat, wo ihr mal Ferien gemacht habt?«
Niels hielt ihre kleine Hand vollkommen still. Er nahm sich viel Zeit. Ließ Silkes Hand auf seiner liegen, damit sie ihre Ruhe fand. Es ging um Vertrauen. Sie musste die Deckung sinken lassen. Erst wenn die weg war, gab es Platz für die kleinen, fast unsichtbaren Signale des Körpers.
»Ich verstehe das gut, wenn du denkst, dass du nichts über deinen Vater sagen willst. Dass du ihm nicht schaden willst.«
Er versuchte, ihrem Blick zu begegnen. »Und du musst wis sen, dass ich ihm auch nicht schaden will«, sagte Niels. Lüge . Denk dieses Mal dran, Niels. Sag nur die Wahrheit.
»Nein, das stimmt nicht, was ich dir gesagt habe, Silke, ent schuldige.«
Sie hob die Augenbrauen. Sah an ihm vorbei an die Wand.
»Ich bin total wütend auf deinen Vater, weil er meine Frau mit genommen hat.«
Tiefes Einatmen.
»Sie ist schwanger, verstehst du? Ich will nicht, dass ihr etwas passiert.«
Niels warf einen Blick über seine Schulter. Schultz hatte die Tür geöffnet. Er stand draußen und sah zu ihnen hinein. Schultz .
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher