Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
keinen Hunger mehr haben, das geht doch nicht?« Er legte seinen Finger auf die Klingel, ein Messingknopf.
»Kommen Sie herein«, rief sie. Das ließ er sich nicht zweimal sagen.
Niels stand im Flur. Roch Reinigungsmittel und Blumen – oder Reinigungsmittel mit Blumenduft. Sie kam aus dem Wohnzimmer und blieb ohne jede Überraschung stehen. Als wäre er der fremde Mensch, auf den sie den ganzen Tag gewartet hatte. Wohnte hier Dictes Mörder? Niels holte seinen Ausweis heraus, bevor sie den Mund öffnen konnte.
»Polizei Kopenhagen«, sagte er leise.
»Ist etwas mit dem Auto?«
»Ich muss mit Ihrem Mann reden.«
»Allan ist unten im Keller. Ist etwas mit dem Auto?«
Sie nickte in Richtung Kellertreppe.
»Danke.«
Niels ging nach unten. Der Mann drehte ihm den Rücken zu, als Niels die Tür öffnete. Ein Laboratorium: Kolben. Plastikhal terungen. Plasma. Vier gleiche Kühlschränke. Oder waren das Gefrierschränke? Allan stand am Waschbecken und kippte etwas aus. Der Wasserhahn über dem Waschbecken aus Stahl war voll aufgedreht.
»Drehen Sie das Wasser zu, Allan.«
»Sie haben kein Recht, hier zu sein«, war das Erste, was er sagte.
»Kein Recht? Ich wurde hereingebeten. Von Ihrer Frau.«
»Haben Sie schon mal was von einem Durchsuchungsbeschluss gehört?«
»Es ist 16.57 Uhr, und Sie sind vorläufig festgenommen.« Niels entsicherte seine Waffe. »Ich habe gesagt, drehen Sie das Wasser zu.«
Der Mann gehorchte. Und drehte sich um. Das Erste, was Niels auffiel, waren die verfärbten Hände des Mannes, sie leuchteten blau und rot wie eine Gasflamme.
»Was meinen Sie, wird Ihr Kind Sie vermissen, wenn Sie im Gefängnis sitzen?«
»Jetzt hören Sie …«
»Nein, in diesem Alter vergessen die Kinder noch sehr schnell. Wenn Sie wieder rauskommen, hat es keine Ahnung mehr, wer Sie sind.«
Der Mann schlug plötzlich beide Hände vor das Gesicht. Sein ganzer Oberkörper zitterte. Brach er jetzt zusammen? In diesem Moment rief die Frau von oben:
»Allan, was ist denn los?«
»Einen Augenblick!«, sagte er und gab sich Mühe, beherrscht zu klingen. Niels sah, wie heftig sich der Brustkorb des Mannes hob und senkte, wie ein kaputter Blasebalg. Er hatte Tränen in den Augen.
»Immer mit der Ruhe«, sagte Niels und trat einen Schritt vor.
»Aber das sind doch gar keine richtigen Drogen«, flüsterte er.
Niels sah sich um. Pipetten, Einwegspritzen, Glas.
»Das ist alles legal. Ich bin Laborant. Ich habe eine Genehmigung …«
Niels fiel ihm ins Wort. »Was haben Sie Dicte gestern Abend gegeben?«
»Häh?« Er starrte ihn durch die Tränen an. Verwundert. »Wem?«
»Stellen Sie sich nicht dumm. Dicte van Hauen. Was haben Sie ihr gegeben?«
»Ich habe keine Ahnung, von wem Sie reden.«
»Sie waren gestern Abend in Dicte van Hauens Wohnung.«
»Nein, war ich nicht, ich war zu Hause.« Er schüttelte den Kopf. »Wir haben mit den Nachbarn gegrillt, da können Sie alle fragen.«
»Sie haben sich mit den Nachbarn amüsiert. Und als es Nacht wurde, haben Sie Ihre kleine Frau ins Bett gebracht und sind aufgebrochen, um einen anderen Menschen umzubringen. Um wie viel Uhr waren Sie in Dictes Wohnung? Gegen Mitternacht?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Ich treffe sie nie persönlich. Höchstens mal auf dem Weg zum Treffpunkt, aber da bin ich dann schon wieder auf dem Rückweg. Wir reden nie miteinander. Nie.«
Niels sah dem Gesicht des Mannes an, dass er die Wahrheit sagte. Zu seinem Bedauern.
»Wem begegnen Sie nie?«
»Den Kund…« Er unterbrach sich selbst.
Niels hob die Waffe. »Hören Sie, Allan. Wenn Sie wollen, rufe ich auf der Wache an, dann wimmelt es hier in fünf Minuten von Beamten. Sie werden festgenommen. Ihre Frau wird festgenom men. Und Ihr Kind landet für die 14 Tage, die Sie beide in Unter suchungshaft sitzen, bei einer Pflegefamilie. In der Zwischenzeit nehmen wir hier Ihr Haus auseinander.«
»Die Kunden. Ich treffe sie nie.«
»Kunden. Und was sind das für Kunden?«
Wieder dieses Zögern. Niels sah, wie er fieberhaft kalkulierte. Was war besser? Hier und jetzt alles erzählen oder auf die Verhandlung warten?
»Okay, Allan. Dann fahren wir auf die Wache, drehen Sie sich um …«
Er fiel ihm ins Wort. »Das sind alle möglichen Leute. Die meisten sind Sportler.«
»Doping?«
»Wenn Sie es so nennen wollen.«
»Wen wollten Sie treffen?«
»Wir sagen nie Namen. Nie. Meistens sehen wir uns nicht einmal.«
»Wie das denn? Wie treffen Sie Ihre Vereinbarungen?«
»Die
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