Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
gekauft?«
»Ja.«
»Und was?«
»Ritalin.«
»Was ist das?«
»Ein Mittel, um sich wach zu halten und das Beste aus sich rauszuholen, jedenfalls wirkt es bei manchen so.«
»Und noch was anderes?«
»Ax6. A steht für Adrenalin.«
»Und Adrenalin haben Sie ihm auch besorgt? Das klingt nicht so gefährlich.«
»Und Amiodaron.«
»Was ist das?«
»Zusammen mit Adrenalin ergibt das die Kombination, mit der man in den Krankenhäusern die Wiederbelebungen vornimmt.«
Wiederbelebung, dachte Niels. Der Mord an Dicte van Hauen war also bis ins kleinste Detail geplant gewesen. Sie war mit voller Absicht ertränkt und dann wiederbelebt worden. Warum hätte er sich sonst entsprechend vorbereiten sollen? Er sah auf die Uhr seines Handys. Wie viel Zeit war vergangen, seit der andere Mann von der Brücke gesprungen war? Eine halbe Stunde. Mehr konnte es kaum sein. Niels konnte in einer Viertelstunde im Theater sein. Was hatte der Balletmeister gesagt? Alle Tänzer des Ensembles spielten in Giselle mit. Sogar die Kinder. Das hieß dann doch, dass der Mann, der Dicte ermordet hatte, im Theater sein musste, wenn in wenigen Augenblicken die Abendprobe begann. Außerdem müssten seine Haare und Kleider noch nass sein und nach Hafen riechen. Eine andere Möglichkeit war, dass er der Probe fernblieb. Aber auch dann würde Niels wissen, wer er war. Er rief an.
»Wir haben doch eine Vereinbarung«, sagte Allan nervös.
»Ja, wir haben eine Vereinbarung, Allan. Ich werde nichts sagen. Und Sie finden eine andere Art und Weise, um sich Ihr Geld zu verdienen. Denken Sie an Ihr Kind. Ich schaue mal wieder bei Ihnen vorbei.«
Endlich meldete sich jemand: »Taxizentrale?«
44.
Islands Brygge, 17.07 Uhr
Hannah saß im Wohnzimmer. Mit Blick über den Hafen. Sie und Niels hätten so glücklich sein können. Sie nahm die Tablette aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Diese Tablette würde den Tod ihrer Kinder besiegeln. Sie musste sie heute nehmen, spätestens bevor sie ins Bett ging. Aber wie sollte sie das machen? Sie war rund, leicht oval, aber mit ausgeprägtem Rand. Ein bisschen erinnerte sie an den Saturn – wenn man sich vorstellte, dass der Rand an der Außenseite der Ring war. Unsinn . Sie stand auf. Die Himmelskörper konnten ihr jetzt nicht helfen. Aber sollte am Abend nicht die Mondfinsternis sein? Finsternis. Nein, ihr Kopf warf alles durcheinander, die Mondfinsternis war erst übermorgen.
»Ahh …«
Ihr Aufschrei überraschte sie selbst.
»Hannah. Du musst rational denken«, sagte sie laut. »Jetzt lass doch mal die Anklage zu Wort kommen. Wie in den Filmen. Erst die Staatsanwaltschaft, dann die Verteidigung.« Sie trat zur Seite, damit in der Mitte des Raums auch Platz genug war.
»Verehrtes Gericht, hoch geachtete Geschworene. Ich weiß sehr genau, wie brutal, wie schrecklich das Vorhaben der Hannah Lund auf Sie wirken muss. Sie will zwei Menschen umbringen, die nichts getan haben.«
Sie machte eine Kunstpause und verstieg sich für einen Moment in den Gedanken, dass sie bindungsscheu und seltsam war, schließlich stand sie hier und führte Selbstgespräche. Aber bewies das nicht schon alles?
Sie räusperte sich und fuhr fort: »Aber wir sollten uns die Geschichte genauer ansehen und dieser emotionalen Sache auf den Grund gehen. Es geht nämlich um etwas, das längst geschehen ist. Um die Geschichte einer Erbkrankheit. Eine Krankheit, mit der man so schwer leben kann, dass viele Betroffene Selbstmord begehen. Wie fühlt sich das an?, fragen Sie sich vielleicht. Nun, wie etwas, das kein normaler Mensch in Worte fassen kann. Und doch ist es einmal so beschrieben worden, wie in einem Horrorfilm zu leben. Wir müssen heute die Frage beantworten, ob wir die Verantwortung dafür übernehmen wollen, dass ein Mensch mit einer solchen Krankheit in die Welt gesetzt wird. Wollen wir das wagen? Ich habe keine Zweifel: Würden wir das tun, würden wir ein ebenso schweres Verbrechen begehen. Und bald ist es für eine Entscheidung zu spät. Doch noch haben wir die Möglichkeit zu handeln. Noch können wir verhindern, dass zwei Menschen in eine Tragödie gestürzt werden. Haben wir damit nicht die Pflicht einzugreifen?«
Ihr Blick huschte zu der Tablette.
45.
Kopenhagen – Amager, 17.15 Uhr
Der macht das noch mal . Der Gedanke trieb Niels ins Taxi.
»Zum Theater, schnell bitte!« Der Fahrer stellte das Taxameter an.
Warum hätte er sonst noch mehr von dem Zeug kaufen sollen?, fragte Niels sich. Warum das Risiko
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