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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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mehr meine Frau! Du gehörst mir nicht mehr. Und wenn du dich offiziell scheiden lassen willst, wird deine Familie mir eine Entschädigung für all die vergeudeten Jahre zahlen müssen, die ich mit dir verbracht habe.«
    Will ein Mann sich in islamischen Ländern von seiner Frau freisprechen, so braucht er nichts anderes zu tun, als sie drei Mal zu verstoßen. Dann gilt die Ehe als aufgelöst, und der Mann trägt keinerlei Verantwortung mehr für die Frau.
    In Windeseile stopfte er Kleider, persönliche Gegenstände, Geld, Schmuck – einfach alles, was er an Wertgegenständen finden konnte – in eine große Tasche. Bevor er ging, sah er Norah ein letztes Mal an.
    »Deine Schwester und du, ihr seid nicht länger meine Töchter, sondern zwei Bastarde«, zischte er ihr zu.
    Er wollte schon hinausgehen, als Norah ihn am Ärmel zurückhielt.
    »Ich bin stolz, ein Bastard zu sein! Und nicht deine Tochter! Und ich bin sicher, dass Melissa genauso denkt!«, schrie sie, Tränen der Wut in den Augen.
    Er stürmte hinaus, und ich hoffte von ganzem Herzen, dass ich ihn nie wiedersehen würde.
    Norah tröstete mich und half mir auf die Beine. Mein Mut war verflogen! Ich schämte mich. Eine verstoßene Frau ist in unserem Land ein Nichts. Da sie zu niemandem mehr gehört, existiert sie auch nicht mehr.
    Nachdem ich wieder einen klaren Kopf hatte, rief ich meine Eltern an, um ihnen mein Missgeschick mitzuteilen. Sie eilten unverzüglich herbei.
    Mein Vater war erschüttert und sehr zornig auf mich. Er schickte die Mädchen aus der Küche, denn sie sollten unser Gespräch nicht mit anhören.
    »Eine Scheidung kommt in der Familie Shariff nicht infrage! Ich will nicht, dass mein Ansehen durch deine Fehler beschmutzt wird! Ich will nicht, dass du deiner Familie Schande machst! Du wirst Abdel suchen und ihn bitten zurückzukommen. Und wenn es sein muss, wirst du ihm auch das Haus schenken, denn ich will, dass er euch drei wieder zu sich nimmt.«
    »Er hat uns als Abschaum beschimpft, und euch ebenso. Ich will ihm mein Haus jetzt nicht mehr schenken. Irgendwann wird er uns ohnehin verlassen, denn er liebt mich nicht und beschimpft seine Töchter als Bastarde!«
    »Rauch entsteht nur da, wo auch ein Feuer ist!«, erwiderte mein Vater. »Vielleicht weiß er Dinge, die wir nicht wissen. Wenn das der Fall sein sollte, werden wir dir die Kehle durchschneiden, und dein Blut wird alles reinigen. Wohin ist Abdel verschwunden?«
    »Ich weiß es nicht, Vater, vielleicht zu seinen Eltern.«
    »Ich werde ihn anrufen und diese Geschichte mit ihm klären. Und ich versichere dir, du wirst dein ganzes Leben mit ihm verbringen, komme, was wolle!«
    Wieder einmal zählte nur die Ehre der Familie Shariff! Besser gesagt, die Ehre von Monsieur Shariff! Aber zum ersten Mal in meinem Leben war ich fest entschlossen, diese Entscheidung nicht hinzunehmen. Ich würde meine Eltern nicht für mich handeln lassen. Die Aufgabe war nicht leicht und das Risiko groß, aber ich war bereit. Nur durften meine Eltern nichts davon merken. Als sie aufbrachen, waren sie sehr verärgert. Ihr Verhalten kränkte und enttäuschte mich wie schon so oft zuvor.
    Dann teilte ich meinen Töchtern meine Entscheidung mit.
    »Ich bin völlig deiner Meinung, Mama«, sagte Norah. »Vor allem, da wir morgen unsere Ausreiseerlaubnis erhalten werden. Wir werden dieses Land und diese Familie hinter uns lassen. Bald werden diese Erlebnisse nur noch Teil eines Albtraums sein, den wir eines Tages vergessen werden.«
    »Das hoffe ich von ganzem Herzen, Norah!«
    Voller Ungeduld wartete ich auf den nächsten Tag. Die Zeit drängte. Wir mussten aufbrechen, bevor mein Ehemann einer Rückkehr zu uns zustimmen würde. Ich wollte ihn nicht mehr wiedersehen! Ich wollte all die Demütigungen hinter mir lassen, denen ich mich mehr als fünfzehn Jahre meines Lebens unterworfen hatte. Ich konnte sie einfach nicht länger ertragen!
    Am nächsten Tag begann für meine Töchter die Schule.Umso besser für sie! Der Unterricht würde sie von den täglichen Querelen ablenken. So früh wie möglich versuchte ich, den Zöllner zu erreichen. Nach mehreren Versuchen ging er endlich ans Telefon.
    »Guten Tag, Madame, wie geht es Ihnen?«, fragte er freundlich.
    »Es würde mir besser gehen, wenn ich die Genehmigung hätte, um mit meinen Töchtern das Land verlassen zu können.«
    »Leider habe ich diese Genehmigung nicht erhalten, Madame. Für lächerliche zwanzigtausend Franc will der Kommissar nicht seine Stellung

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