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Der Schlittenmacher

Der Schlittenmacher

Titel: Der Schlittenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Norman
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über dreißig Jahre aufgebaut hatte, endgültig aufgelöst war, setzte ich mich schon vier Tage, nachdem du weg warst, an den langen Tisch in der Bibliothek und blätterte das Telefonbuch von Halifax durch. Ich notierte mir Namen, Adressen und Telefonnummern von Hotels. Dann schrieb ich zwölf Hotels an und fragte nach freien Zimmern und den Preisen. Jedem Brief legte ich eine Antwortpostkarte und eine Briefmarke bei. In gewisser Weise hatte ich Middle Economy schon verlassen.
    Ich stellte wohl noch eine Bestandsliste auf, aber es war ein Bestand an Schlitten und Toboggans, die ich nicht mehr fertigbauen würde. Schlitten, die jemand in Auftrag gegeben hatte und die erwartet wurden. Die Werkstatt stand voll mit Einzelteilen, mit Brettern, die noch nicht mit Schellack bestrichen waren, und Transportboxen, die noch nicht befestigt waren. Ich dachte daran, das Geschäft zu verkaufen, doch nachdem ich Anzeigen in den Gemeindebrief, in die Mail und sogar in die Zeitung in Truro gesetzt hatte, meldete sich niemand. Kein
einziger Anruf, keine Postkarte eines Interessenten. Aber was hatte ich erwartet? »Weißt du, Wyatt«, meinte Cornelia, »wenn du’s recht bedenkst – wer könnte denn interessiert sein? Wahrscheinlich nur jemand, der schon Schlitten macht und nach Middle Economy übersiedeln möchte. Die einzigen Menschen, auf die das je zutreffen würde, sind wahrscheinlich Donald Hillyer und du.« Schließlich verkaufte ich das ganze Holz an Todd Branch.
    Am Morgen des 27. November 1948 sagte ich in der Bäckerei: »Cornelia, ich gehe zurück nach Halifax.«
    »In das Haus, in dem du aufgewachsen bist?«
    »Nein, ich brauche die Mieteinnahmen.«
    »Wie hoch ist denn die Miete für ein Haus in der Stadt? Das hab ich mich immer schon gefragt.«
    »Allgemein kann ich’s dir nicht sagen. Aber bei meinem beträgt sie fünfzig Dollar im Monat.«
    »Das wird fast alles für Benzin draufgehen, weil du jetzt so weit fahren musst, um hier zu sitzen und meine Scones zu essen. Und weil meine Scones um spätestens neun Uhr weg sind, musst du sehr früh in Halifax losfahren.«
    »Angeblich kriegt man Scones auch in Halifax.«
    »Nicht meine.«
    »Nein, nicht deine.«
    »Aber du brauchst ein Dach überm Kopf.«
    »Ich habe genug gespart, um vielleicht drei Monate davon leben zu können.«
    »Eine Pension oder ein Hotel oder so was, stimmt’s?«
    »Ich habe mir gestern ein Hotelzimmer genommen.«
    »Schreib mir die Adresse auf, okay?«
    Ich schrieb die Adresse, die ich von der Antwortpostkarte ablas, auf eine Serviette. Cornelia schnitt ein Stück Klebeband von
der Rolle und klebte die Serviette auf die erste Seite eines leeren Wirtschaftsbuches. »Du meine Güte«, sagte sie, »jetzt sieh dir das an – ich habe ein Adressbuch angefangen!«
    Wir tranken zusammen Kaffee und schauten aus dem Fenster. Es war ein trüber, bewölkter Tag, und wenn ich mich richtig erinnere, fuhren nur zwei Autos vorbei – ein Pkw und ein Pick-up –, und Mrs. Oleander kam herein, um sich ein Sandwich zu holen. Sie plauderte eine Weile mit uns, dann ging sie zurück in die Bibliothek.
    »Ich habe das nie jemandem erzählt«, sagte Cornelia, »aber vor dem Krieg bin ich öfter mit dem Bus nach Halifax gefahren. Ich nahm mir ein Hotelzimmer und ging ins Kino. Mitunter drei Abende hintereinander. Ab und zu sah ich mir einen Film zweimal an. In letzter Zeit hab ich öfters gedacht, dass ich das wieder tun sollte.«
    »Du verdienst dir dein Geld auch nicht leicht, Cornelia – warum solltest du es nicht für Dinge ausgeben, die dir Spaß machen?«
    »Und da du dann in Halifax bist, könntest du mich ja mal begleiten. Es ist mir schon klar, dass das für dich ein bisschen so wäre, als würdest du mit deiner Mutter ins Kino gehen. Möge deine Mutter in Frieden ruhen. Und ich würde es verstehen, wenn du’s peinlich fändest.«
    »Also, zufällig bin ich tatsächlich mit meiner Mutter ins Kino gegangen, Cornelia, und zwar häufiger. Manchmal ist mein Vater mitgegangen, aber meistens nicht. Also, es wäre mir eine Ehre, Cornelia. Du warst immer für uns da. Für mich, Tilda und Marlais. Keiner war so zu uns wie du, und dabei hast du nie an dich gedacht. Sag einfach Bescheid, wenn du in Halifax bist, dann geh ich sehr gern mit dir ins Kino.«
    Sie wedelte mit der Hand an ihrem Herzen. »Ich bin so erleichtert,
dass ich das Gespräch hinter mir habe«, sagte sie. »Ich glaube, ich schließe die Bäckerei und ruh mich ein wenig aus.«
    »Danke übrigens, dass

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