Der Schluessel zum Glueck
das?“
„Ich wollte dem Tier nicht wehtun.“
„Es tut Ihnen also Leid.“
„Das habe ich doch gesagt.“
„Mir tut es auch Leid. Aber ich drehe durch, wenn ich noch länger unter einem Dach mit Ihnen bleiben muss.“ Jilly setzte die Mütze auf, klemmte sich den Recorder und die CDs unter den Arm, nahm den Koffer und marschierte hinaus.
Will verzog das Gesicht, als die Tür hinter ihr zuknallte. Verdammt. Die Frau ertrug die Wahrheit nicht. Na schön. Dann sollte sie es doch versuchen. Es würde nicht lange dauern, bis sie wieder hier war und ihn mit ihrem unaufhörlichen Geschnatter, den heimlichen Blicken und dem erregenden Parfüm um den Verstand brachte.
Wenigstens war es draußen nicht dunkel. Und der Wind hatte sich ein wenig gelegt. Also müsste sie es bis zu ihrem Wagen schaffen, ohne sich den Hals zu brechen. Warum sollte er also nicht versuchen, die fünf Minuten Ruhe zu genießen? Er setzte sich wieder und griff nach seinem Buch.
Etwa zehn Sekunden später stürmte Jilly herein, eilte in die Küche und begann am Kühlschrank herumzupoltern. Beladen mit Einkaufstüten verschwand sie wieder. Will hatte gerade mal drei Seiten gelesen, als sie erneut zurückkam.
Dieses Mal verließ sie die Hütte mit dem großen Beutel Katzenstreu und einer Tasche, die wer weiß was enthielt.
„Brauchen Sie Hilfe?“ fragte er widerwillig.
„Ich komme schon zurecht, danke.“ Sie stellte den Beutel ab, öffnete die Haustür, nahm den Beutel wieder hoch und ging hinaus. Sekundenlang stand die Tür offen, und der eisige Wind wehte herein, bis Jilly sie endlich schloss.
Eine Minute später flog die Tür wieder auf.
Will fluchte. Ausgiebig. Er stand auf und setzte sich wieder hin. Jilly kam sowieso bestimmt gleich wieder zurück. Sollte sie die dumme Tür doch selbst zumachen.
Er las weiter, konzentrierte sich auf die unzähligen russischen Namen und ignorierte tapfer die Kälte, die von draußen in den Raum drang.
Und dann, wie aus dem Nichts, landete ihre Katze auf seinem Schoß, zwischen dem Gürtel und dem Buch.
„Nein!“ rief Will und verpasste dem Tier einen Klaps mit Schuld und Sühne.
Nun ja, vielleicht war es doch mehr als nur ein Klaps, denn die Katze flog durch die Luft. Aber sie landete auf den Pfoten und rannte in die Küche – blitzschnell.
Er war sicher, dass er ihr nicht wehgetan hatte, weder dieses Mal noch vorhin, mit dem Stuhl. Ihr Schwanz sah unversehrt aus.
Aber wo zum Teufel steckte das Frauchen des vierbeinigen Quälgeists?
Er hörte einen Motor anspringen. Was hat sie jetzt vor? dachte Will. Sie konnte doch jetzt nicht einfach davonfahren. Ihre Katze war noch hier. Er ging ans Fenster.
Inzwischen schneite es wieder stärker, aber selbst durch den weißen Schleier hindurch waren die Fahrzeuge zu sehen – und Julian auch. Sie legte gerade ihre Schneeketten an. Zu seinem Erstaunen schien sie genau zu wissen, was sie tat.
Sie hatte die Ketten ausgebreitet und stieg gerade ein, um rückwärts hinaufzufahren. Wahrscheinlich würde es ihr sogar gelingen, sie richtig zu verhaken. Aber selbst korrekt angelegte Schneeketten würden sie nicht bis zur Straße bringen. Der Schnee lag einfach zu hoch. Das musste ihr doch klar sein.
Nein, sie war Julian Diamond. Und wer konnte wissen, was in ihrem Kopf vorging? Und wie lange es dauern würde, bis sie sich mit der Realität abfand und in die Hütte zurückkehrte.
Erneut murmelte Will einige ausgewählte Flüche, dann ging er zur Tür und schloss sie. Schließlich legte er im Küchenofen Holz nach und stellte sich im Wohnzimmer vor den Heizlüfter, bis es in der Hütte wieder warm wurde.
Er hatte sich gerade wieder in den Sessel gesetzt, um weiterzulesen, als Julian hereinstürmte. Sie postierte sich vor dem Heizlüfter, blieb drei oder vier Minuten lang davor stehen und rieb sich fröstelnd die Hände.
Dann suchte sie nach ihrer Katze. „Missy“, rief sie mit sanfter Stimme. „Komm schon, Süße…“
Zuerst sah sie unter dem alten Eisenbett in der Ecke nach, denn dorthin hatte die Katze sich nach dem brutalen Angriff auf ihren Schwanz geflüchtet. Will hätte Julian sagen können, dass sie vergeblich dort suchte. Als er das Tier zuletzt gesehen hatte, war es auf dem Weg zur Tür nach oben gewesen. Aber er hielt den Mund, sonst würde Jilly ihn womöglich noch fragen, wieso er, den die Katze nicht interessierte, es überhaupt registriert hatte. Und egal, wie seine Antwort ausfiele, es würde wieder Streit geben. Und er hatte keine
Weitere Kostenlose Bücher