Der Schluessel zum Glueck
den Laptop neben den Lampentisch.
Als Sitzgelegenheit diente hier oben nur ein unbequem aussehender Stuhl, also machte Jilly auf dem Bett Platz für Will. Er setzte sich zu ihr, streifte die Mokassins ab, schob sich ein Kissen in den Rücken und lehnte sich gegen die Wand. Will hielt Jilly die Tüte hin, sie nahm sich eine Käsestange, und ein, zwei Minuten lang schwiegen sie, während White Christmess leise im Hintergrund spielte.
Jilly warf Will einen Blick zu.
„Was denn?“
„Naja, ich frage mich…“
„Was fragen Sie Ich?“
„Ich schätze, ich könnte sie das jetzt einfach mal fragen, dann können sie mir ja immer noch antworten, dass es mich nichts angeht – aber freundlich, okay?“
Er lachte. „Heraus damit.“
„Warum können Sie Weihnachten eigentlich nicht ausstehen?“
„Hätte mir denken sollen, dass Sie das wissen wollen“, schnaubte Will.
„Ach, kommen Sie schon.“ Jilly streckte die Hand nach der Tüte aus. Er hielt sie ihr hin, und sie bediente sich. „Erzählen Sie schon. Sonst frage ich Celia oder Jane.“
„Sie reden also mit Ihren Freundinnen über mich?“
„Bisher nicht. Ich habe es immer sorgsam vermieden.“
„Warum?“
„Bitte. Das ist doch wohl klar.“
„Mir nicht.“
Jilly wusste, was er vorhatte: Er wollte sie vom eigentlichen Thema ablenken.
„Erst müssen Sie mir versprechen, dass Sie meine Frage beantworten werden.“
„Jilly…“
„Versprechen Sie das?“
„Die Antwort auf ihre Frage ist sehr lang und sehr traurig, und Sie werden bereuen, mich darum gebeten zu haben.“
„Das werde ich selbst beurteilen.“
Will betrachtete sie einen Moment lang. „Süßer Schlafanzug.“
„Glauben Sie nicht, dass Sie mich damit ablenken können.“
„Ich kann kaum glauben, dass ich tatsächlich mit dem Gedanken spiele, es Ihnen zu erzählen.“
„Ich bin eben eine sehr charmante Frau… wenn man sich erst einmal an mich gewöhnt hat“, meinte Jilly.
„Und eine sehr beharrliche.“
„Ja. Erzählen Sie es mir?“
„Wenn ich es tue, dürfen Sie aber nicht vergessen, dass Sie es von mir verlangt haben.“
„Einverstanden.“
Will schaute ihr in die Augen, und für den Bruchteil einer Sekunde sah sie in ihm, einem jungen, breitschultrigen, fit aussehenden Mann, die Ähnlichkeit mit der zerbrechlichen alten Frau aus ihrem Traum. Plötzlich ging ihr auf, dass sie Mavis McCormack noch nie gesehen hatte, nicht einmal auf einem Foto.
„Haben Sie hier eigentlich irgendwo ein Foto von Ihrer Großmutter?“
Er blinzelte. „Täusche ich mich, oder ist das schon wieder ein Themenwechsel?“
Jilly lachte. „Tut mir Leid. So bin ich eben. Fragen Sie meinen Chef bei der Zeitung, er kann ein Lied davon singen. Ich vermute, das ist die Kehrseite der Kreativität.“
„Aha.“
„Was ist denn nun mit dem Foto?“
Will zuckte mit den Schultern. „In den Kisten und Truhen in der winzigen Kammer hinter dem Schrank dort befindet sich eine Menge Zeug.“ Er zeigte auf einen Vorhang in der Ecke. „Bestimmt sind darunter auch alte Fotos. Wir können ja morgen mal nachsehen.“
„Gute Idee“, sagte Jilly begeistert. „Wer weiß, was wir dort alles finden?“
„Und wollen Sie mir auch erzählen, warum Sie so plötzlich ein Foto von Grandma Mavis sehen müssen?“
Jilly dachte an ihren Traum… an sie beide, nackt und erhitzt, wie sie gemeinsam im Nichts schwebten und sich voller Leidenschaft vereinigten. „Ach, nur so. Ich meine, schließlich war das hier ihr Haus…“
„Die Leute behaupten, dass sie verrückt war, aber das stimmt nicht. Sie war nur scheu und hatte Angst vor Fremden. Deshalb hat sie fast ihr ganzes Leben hier oben verbracht, ganz allein. Meine Mutter ist in dieser Hütte aufgewachsen.“
„Und was ist mit Ihrem Großvater? Wie passt der ins Bild?“ fragte Jilly.
Will zog eine Augenbraue hoch. „Gar nicht. Ich habe ihn nicht gekannt. Und meine Mutter auch nicht, soweit ich weiß.“
„Caitlin hat ihren Vater nicht gekannt?“
„Richtig. Vermutlich war meine Großmutter nur kurz mit ihm zusammen. Er hat sie nicht geheiratet. McCormack war ihr Mädchenname. Wer immer er war, er blieb nur lange genug, um Caitlin zu zeugen. Danach ist er spurlos verschwunden – aber das wissen Sie doch längst, nicht wahr?“
Natürlich wusste Jilly es. Schließlich kamen sie beide aus New Venice. Mavis und Caitlin und ihre drei wilden Söhne waren immer Stadtgespräch gewesen.
„Im Highgrade haben sie immer darüber gelästert“,
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