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Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Conrath
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Kaffeemaschine, die auf einer Anrichte thronte, dämpfte ein wenig das Flair der Hoffnungslosigkeit. Ihr Chrom glänzte frisch poliert, und Fran schätzte, dass sie gut und gerne zweitausend Euro gekostet hatte. Der Espresso, den Keller ihr machte, schmeckte auf jeden Fall genauso gut wie bei ihrem Lieblingsitaliener. Und das war das größte Kompliment, das sie vergeben konnte.
    Sie redeten einen Moment übers Wetter und das schwierige Geschäft mit dem Transport von Waren über die Straße, dann übergab ihnen Keller eine Personalakte.
    Senior zog Latexhandschuhe an, nahm die Akte und blätterte sie auf.
    Keller hob die Augenbrauen, bezwang aber seine Neugier, lehnte sich zurück und fragte, ob er telefonieren dürfe, solange sie die Akten studierten. Er stünde jederzeit für Rückfragen zur Verfügung.
    Fran und Senior nickten gleichzeitig.
    Bredows hatte drei Jahre bei Keller gearbeitet und war vom einfachen Lkw-Fahrer zum Gruppenführer aufgestiegen, der in der Hamburger Filiale der Spedition Keller eingesetzt wurde. Das bedeutete mehr Geld, aber auch mehr Einsatz. Beurteilungsbögen wiesen Bredows als unbedingt pünktlich, zuverlässig und besonders leistungsorientiert aus. Keller war rundum zufrieden, und vor fünf Monaten hatte eine weitere Beförderung angestanden, gekoppelt mit dem Angebot, dass Keller Bredows eine Weiterbildung finanzieren würde. Dann hätte Bredows nach Düsseldorf ziehen und hier nach einem Jahr Einarbeitung die Disposition für Belgien und Luxemburg übernehmen sollen. Dann riss das Arbeitsverhältnis ab.
    In der Akte war ein kurzer maschinengeschriebener, mit »Bredow« unterzeichneter Brief abgeheftet, in dem Bredows sein Bedauern erklärte, dass er fristlos kündigen musste, weil er leider erfahren hatte, dass er an einer seltenen Krankheit erkrankt war und seine letzten Lebensmonate auf einer einsamen Insel verbringen wollte. Er dankte Keller für sein Vertrauen und wünschte ihm und seiner Firma alles Gute.
    Das letzte Dokument war eine Ansichtskarte mit dem Bild einer kleinen Palmeninsel, datiert auf den zweiten März des vergangenen Jahres. Der Text lautete: »Sehr geehrter Herr Keller, im Auftrag meines Freundes Frank Bredows teile ich Ihnen mit, dass Frank vor einer Woche sanft entschlafen ist. Er hat immer wieder nur Gutes von Ihnen zu erzählen gehabt. Mit freundlichen Grüßen   …« Es folgte eine nicht leserliche Unterschrift.
    Fran begutachtete den Poststempel. Frankfurt am Main, das Datum passte. Sie zog sich ebenfalls Handschuhe an, hielt die Postkarte neben den Brief.
    Senior faltete den Arbeitsvertrag auseinander und platzierte Bredows Unterschrift daneben.
    »Alles klar«, sagte Senior und schloss die Akte wieder. »Von langer Hand vorbereitet.«
    »Clever gemacht. Bredows wurde nie vermisst. Er hatte keine Familie, und hier wurde er ordnungsgemäß abgemeldet.«
    »Herr Keller?« Senior bedeutete ihm sein Telefonat zu beenden.
    Der Spediteur legte nach kurzer Verabschiedung auf.
    »Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass der Brief von Bredows und die Postkarte von derselben Person unterschrieben worden sind?«
    »Wie bitte? Aber das kann doch gar nicht sein.« Keller war sichtlich geschockt. Er überlegte einen Moment. »Oder lebt Bredows doch noch?«
    Senior schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Er ist heute Morgen tot aufgefunden worden. Wahrscheinlich wurde er ermordet.«
    Keller wurde blass. »Das ist ja furchtbar. Der arme Kerl. Dass es immer die Falschen erwischen muss. Der hat sich bei uns so gut gemacht. So eine Schande. Ich hoffe, Sie kriegen das Ungeheuer, das diese Schweinerei angestellt hat. Ich werde alles tun, womit ich Ihnen helfen kann.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen«, erwiderte Fran und begann mit der routinemäßigen Befragung des Zeugen.
    Fast zwei Stunden stand Keller Rede und Antwort, holte andere Angestellte dazu, die ebenfalls bereitwillig Auskunft gaben. Es ergab sich kein Anhaltspunkt, also blieb ihnen letztlich nur noch übrig, die Fingerabdrücke von Keller und seinenLeuten zu nehmen. Auch dabei gab es nicht das geringste Problem.
    »So müsste es immer sein«, schwärmte Senior, als sie zurück ins Präsidium fuhren. »Normalerweise geht gar nichts ohne richterlichen Beschluss.«
    »Dann müsst ihr mal an eurem Image arbeiten«, sagte Fran.
    Senior schwieg, und Fran war nicht nach Plaudern zumute. Alles, was sie gerade gehört und was sie am Deich und auf den Fotos gesehen hatte, war ihr gründlich auf den Magen geschlagen.

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