Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
wäre«, ergänzte Fran.
Sybille Anselm nickte und drückte ihre Zigarette in einer Schale aus, die Fran niemals für einen Aschenbecher gehalten hätte. Aber diese Frau Anselm hätte wohl auch die Handfläche von Johann dafür benutzt, wenn es ihr in den Sinn gekommen wäre.
»Sie wissen nicht zufällig …«
»Doch, das weiß ich. Ich kann Ihnen die Adresse geben, zumindest hat er da noch vor sechs Wochen gewohnt.«
»Eine weitere unwichtige Affäre?« Fran spürte, dass sie es einfach nicht lassen konnte. Diese Frau machte sie rasend. Wie alt mochte sie sein? Um die vierzig? Wie oft geliftet? Dieses Weibsstück war arrogant, männerfressend und stinkreich.
»In der Tat, meine Liebe. Ein hervorragender Liebhaber, er wurde allerdings zu besitzergreifend, deswegen musste ich ihn abschießen.«
»Womit?« Aus den Augenwinkeln sah Fran, wie Senior die Augen verdrehte.
»Mit einer Flasche Veuve Clicquot, einer unvergleichlich heißen Liebesnacht und einer Rolex als Abschiedsgeschenk.War es das, was Sie hören wollten?« Sie gickelte wie ein kleines Mädchen, aber unterdrückte Wut schwang mit.
»Ja, so habe ich mir das vorgestellt, vielen Dank.«
»Noch jemand, der mit Frank Bredows eine Rechnung offen hatte?«, fragte Senior dazwischen.
Sybille Anselm wurde ernst und wandte sich Senior zu. »Mein lieber Herr Haller. Wenn Sie Ihre moralinsaure Wildkatze an die Leine legen, bin ich gerne bereit, Ihnen alles zu erzählen, was ich weiß. Sind Sie sicher, dass diese Frau Miller eine Kriminalkommissarin ist?«
Fran sah, wie sich Senior erfolgreich bemühte, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.
»Da bin ich mir sicher. Verzeihen Sie bitte, aber manchmal macht sich unser Spielchen guter Cop – böser Cop selbstständig.«
Sybille Anselms Augen begannen zu leuchten. »Ich verstehe. Nicht schlecht.« Sie wandte sich Fran zu und neigte leicht den Kopf. »Kompliment, junge Frau. Sie haben mich tatsächlich auf die Palme gebracht, das gelingt normalerweise niemandem, vor allem keiner Frau.«
Fran wäre am liebsten im Polster des Sessels versunken, aber sie lächelte verbindlich. »Verzeihen Sie. Sie können versichert sein, dass wir uns keine moralischen oder sonstigen Urteile anmaßen. Wir sind sehr dankbar für Ihre Zusammenarbeit«, sagte sie mit trockenem Mund.
Sybille Anselms Oberlippe zuckte kurz, aber sie fuhr fort zu erzählen. »Es gibt da einen Fahrer, dem hat Frank Hörner aufgesetzt, und zwar bevor er mit mir zusammen war. Sebastian Halterrode. Da müssen Sie sich die Adresse von Joachim besorgen. Mit Sebastian hatte ich nie was. Das war und ist ein Prinzip von mir: Ich breche in keine Beziehung ein.«
Sehr löblich, dachte Fran.
Senior stand auf. »Vielen Dank, Frau Anselm, Sie haben uns sehr geholfen. Der Kaffee war übrigens hervorragend.«
Sybille Anselm schien sich über das Kompliment zu freuen.
»Die Kekse ebenfalls«, sagte Fran, als sie sich erhob und Senior und Johann folgte. Sie drehte sich noch einmal um und sah das fragende Gesicht von Sybille Anselm.
»Aber …«, rief sie, doch Fran und Senior waren bereits durch die Tür und marschierten auf ihren Wagen zu.
»… Sie haben doch gar keine Kekse gekostet!«, ergänzte Fran mit spitzer Stimme und schmunzelte.
Senior schien nicht sonderlich erfreut über diese Bemerkung.
Mit dem Wagen rollten sie langsam die Einfahrt hinunter auf das Tor zu, es schwebte zur Seite, Fran gab Gas.
Senior drehte den Kopf und sah Fran wütend an. So sah ein Wolf aus, kurz bevor er seinem Opfer an die Kehle ging. »Noch so ein Ausrutscher, und du bist raus, klar?«
Er brauchte nicht laut zu werden, Fran glaubte ihm auch so aufs Wort. »Entschuldige bitte, Senior, das war wirklich unprofessionell. Keine Ahnung, was mich an der Frau so gereizt hat.«
»Erstens lügst du, ohne rot zu werden, und zweitens ist mir das scheißegal, Fran. Wenn du es genau wissen willst, dann frag einen Psychologen. Wir sind hier nicht im Mädcheninternat.« Er starrte sie an.
Fran zog es vor zu schweigen und nickte ein paar Mal mit dem Kopf. Sie war dünnhäutig in der letzten Zeit. Kein Wunder. Erik ging ihr nicht aus dem Kopf, ständig spukte er in ihren Gedanken herum. Das musste sie abstellen. Und sie wusste auch schon, wie: mit einem Besuch in Köln.
*
Lars nahm die S-Bahn zum Hauptbahnhof. Um neunzehn Uhr fünfzig sollte der ICE planmäßig ankommen, in dem Johanna saß.
Mutter hatte immer noch geschlafen, als er die Wohnung verlassen hatte. Ihr Atem
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