Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
später nahm er sie in die Kirche auf.
»Natürlich weiß ich das noch.« Lars hörte seine eigene Stimme zittern.
Er hatte ihr die Kraft gegeben, sich von ihren Eltern zu befreien. Sie war zu Hause ausgezogen, hatte eine Lehrstelle gefunden. Jetzt war es an der Zeit, dass sie Treue zu ihrer Kirche und ihrem Hohepriester bewies.
»Jetzt ist es wieder so. Ich habe genau den Richtigen getroffen. Stell dir vor, ich habe mich verliebt!«
Lars blieb stehen, die Worte fuhren ihm in den Magen. »Was?«, fragte er, und es war lauter, als er gedacht hatte.
Johanna zuckte zusammen und trat einen Schritt zurück.
Lars hob beschwichtigend die Hände. »Sorry, aber das kommt sehr plötzlich, unerwartet, du und verliebt, das klingt schon komisch.« Seine Stimme vibrierte.
Sie lächelte unsicher. »Er heißt Ricky Thompson. Er ist der Sohn des Restaurantbesitzers, bei dem ich arbeite. Wir werden heiraten.«
Lars schüttelte heftig den Kopf, seine rote Mähne geriet in Bewegung. »Nach drei Wochen? Heiraten?«
Johanna war vollkommen verrückt geworden. Nach drei Wochen heiraten, so ein Unsinn, sie war verwirrt, irgendjemand dort hatte sie vergiftet, ein starker Zauber musste es sein, den er unbedingt durchbrechen musste. Sofort begann er, den neunten Henochischen Schlüssel zu beschwören, mit dem er Johanna retten konnte: »Eine mächtige Schildwache aus Feuer …«
»Hör auf mit dem Scheiß«, schrie Johanna. »Deinen Henochischen Mist kannst du dir sonst wo hinstecken.«
Lars schwieg bestürzt. Es war noch schlimmer, als er gedacht hatte.
»Ich wollte es dir schonend beibringen, aber du bist ja vollkommen verbohrt. Ich werde heiraten, ich werde nach England gehen, ich werde aus der Church of XXXL austreten und mich wieder dem Christentum zuwenden. Ob du willst oder nicht. Es gibt Christen, die sind echt nett. Wenn ich das gewusst hätte … Und jetzt gehe ich.«
Sie wollte an Lars vorbei, aber er hielt sie grob am Arm fest. Mit einer schnellen Bewegung drehte sie sich zu ihm hin und zog ihm ihre Fingernägel durchs Gesicht.
Greller Schmerz durchzuckte Lars, er ließ ihren Arm los undschlug ihr mit der Faust ins Gesicht. Johanna ging mit einem Gurgellaut zu Boden, Blut spritzte aus einer Platzwunde, roter Nebel stieg vor seinen Augen auf, Lars versuchte ihn zu vertreiben, aber er wurde immer dichter. »Bitte nicht jetzt«, brabbelte er. Seine Knie knickten ein, er spürte, wie er in Zeitlupe auf den Weg sank. Dann spürte er nichts mehr.
9. Samstag
Endlich wieder ein freier Samstag. Eingekauft habe ich bereits, meine Wohnung ist geputzt, mit den Nachbarn habe ich ein paar freundliche Worte gewechselt. Es sind tumbe Menschen, deren Gespräche sich um Urlaub, Fernsehen und Schnäppchen drehen. Ich sage, dass ich mir demnächst einen großen Flachbildschirm kaufen will und alle digitalen Kanäle abonnieren werde – das hat sie tief beeindruckt, und ich konnte in ihren Augen sehen, dass sie sich am liebsten selbst bei mir eingeladen hätten.
Ich muss dringend mein Studio warten. Das ist mit hohem Risiko verbunden. Die Wassertanks sind leer, die Abortgrube ist voll, die Luftfilter sind zugesetzt, die Dieseltanks für das Stromaggregat fast leer.
Ich beginne mit den Wassertanks. Mit einem Schubkarren muss ich viermal vom Auto zum Einfüllstutzen, der unter einer Schicht Waldboden und Laub versteckt ist. Ich schwitze, aber es gelingt mir, ohne dass mich jemand sieht. Über kurz oder lang muss ich mir eine andere Lösung einfallen lassen, aber ich habe keine Zeit.
Die Abortgrube ist schnell abgesaugt, ich entsorge alles in den Wald, so wie ich Friedel und die anderen entsorgt habe: Ich vergrabe es.
Der Tank für das Aggregat fasst zweihundert Liter Diesel.
Nach den ersten vier Kanistern muss ich unterbrechen. Spaziergänger haben sich verirrt, sie trampeln durch das Unterholz. Ein Pärchen. Um die fünfzig. Er ist dünn wie eineBohnenstange, sie rund wie eine Tonne. Dick und Doof. Er hält ein GPS -Gerät in der Hand, flucht, irgendwo müsse doch der Weg sein, das Gerät könne sich nicht irren. Ich liege auf der Lauer. Wenn sie die Deadline überqueren, sind sie tot. Hoffentlich finden sie den Weg, die Dicke wiegt mindestens zwei Zentner, das wäre eine teuflische Arbeit. Noch drei Meter. Ich entspanne alle Muskeln, so wie eine Raubkatze, bin zum Sprung bereit, das Jagdmesser in der rechten Hand. Bevor die Dicke überhaupt begreift, was passiert, ist ihr Begleiter tot, und zwei Sekunden später hat sie das
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