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Der Schmetterlingsbaum

Der Schmetterlingsbaum

Titel: Der Schmetterlingsbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Urquhart
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der Urure beschwor und auf ihr Wohl trank; und schließlich wurde das abgegriffene alte Buch mit den gesammelten Werken von Reverend Patrick Sanderson aus dem Regal geholt, und mein Onkel las zur allgemeinen Erheiterung laut daraus vor.
    Der Reverend hatte nicht nur über gesetzliche Feiertage, Sommernachmittage und sein totes Kind geschrieben, sondern auch Hommagen ans Eisstockschießen, ans Kegeln, an die Literaturclubs von Kingsville verfasst. Letztere fanden die Erwachsenen zum Brüllen komisch, während ich keinen großen Unterschied zwischen diesen und den Gedichten von Robert Louis Stevenson sah, von denen Mandy so begeistert war.
    Ich war am Meer und saß am Strand
    Und schaufelte den weißen Sand
    Mal hin und auch mal her.
    Grub viele Löcher, schwarz und tief,
    In die bei Flut das Wasser lief.
    Dann war das Meer ganz leer.
    Damals verblüffte und verwirrte mich Mandys Interesse an solchen Versen; jetzt beginne ich zu begreifen, wie klug sie sind.
    Dass in den Winterferien Ströme von Alkohol für die Erwachsenen flossen, verstand sich von selbst, und uns Kindern ließ man unterdessen alles durchgehen, wir fühlten uns herrlich ignoriert. Ich erinnere mich an die Kaschmirpullover meiner Tante – zu jedem Weihnachtsfest erwartete sie einen neuen von meinem Onkel. Ich weiß auch noch genau, was für eine tüchtige Köchin sie war und wie geschmackvoll sie das Haus schmückte. Sie bestand auf echten Stechpalmenzweigen aus dem Blumenladen statt der »Plastikstaubfänger«, wie sie das nannte, auf frischen Tannenzweigen aus dem Wald, roten und silbernen Kugeln und winzigen weißen Lichtern am Christbaum.
    Meine Mutter fühlte sich stets gedrängt, das perfekte Stück Pressglas als Geschenk für ihre Schwägerin zu finden, und wurde, wenn es Zeit für die Bescherung war, sichtlich nervös, denn sie war nie ganz sicher, ob das ausgesuchte Glas nicht doch eine Reproduktion war. Anders als meine Tante bekam sie den Unterschied oft nicht heraus, und es gab genügend Händler, die solche Schwachstellen gern ausnutzten. Meine Tante ließ sich ihre Enttäuschung zwar nie anmerken, falls sich ein Becher, eine Schale als nachgemacht erwies, doch ein, zwei Mal kam es vor, dass meine Mutter, wenn sie im darauffolgenden Sommer kam, in den Regalen mit der Gläsersammlung meiner Tante ihr letztes Weihnachtsgeschenk vermisste. Das erzählte sie mir unlängst. Ein trauriger kleiner Versuch, eine Freude zu machen, auf den eine kleine Grausamkeit folgte.
    Mein Onkel spornte uns während der zwei, drei Feiertage immer zu körperlichen Aktivitäten an. In einem Jahr kommandierte er uns Kinder vom Fernseher beziehungsweise, in Mandys Fall, von den Büchern hinaus in die frische Luft, wo wir auf sein Drängen hin nicht nur einen Schneemann bauten, sondern eine ganze Armee von Schneemännern. In China waren kurz zuvor diese alten Terrakottakrieger ausgegraben worden, und der Fund hatte ihn beeindruckt und fasziniert. Mehr als einmal waren Erwachsene wie Kinder genötigt worden, sich im National Geographic die Fotos von endlosen Reihen Soldaten und Pferden anzusehen. Und dann hatte er sich in den Kopf gesetzt, dass wir doch etwas Ähnliches, wenn auch natürlich nicht annähernd so Dauerhaftes schaffen könnten, nur ein paar Schritte vor der Tür.
    Sogar mein Onkel musste zugeben, dass die Pferde ein Problem waren und wir mit konventionellen Schneemännern auskommen müssten. Er gäbe sich mit einem guten Dutzend zufrieden, sagte er. Nur drei für jeden von euch, versprach er, und ich mache auch drei. Dafür lag eigentlich nicht genug Schnee, aber er war wild entschlossen, und als wir allen Schnee im Innenhof aufgebraucht und bereits das Gras freigelegt hatten, schickte er die Jungs mit Schaufeln und Schubkarren in die Obstplantagen. Die ersten paar Fuhren brachten sie bereitwillig, aber es reichte nie, und sie wurden immer wieder losgeschickt, auch als es gegen vier Uhr nachmittags zu dämmern begann. Mittlerweile waren wir alle schon ziemlich durchgefroren, aber immer noch mehr oder minder bei der Sache.
    Nun offenbarte mein Onkel einen Plan, der uns zunächst großartig schien. Auf dem Dachboden lagen noch etliche uralte Kleidungsstücke aus der Zeit der Vorfahren. Mandy und ich kannten diese Kleider und Anzüge natürlich – wir hatten sie, kaum waren wir dazu in der Lage, gründlich auf ihre Möglichkeiten hin untersucht – , und mit den männlicheren Gewändern waren sogar die Jungs vertraut, denn sie hatten sie mindestens

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