Der Schmetterlingsthron
Saals hing ein riesiger Bronzegong.
Als alle im Saal waren, trat Khuravela an einen großen Tisch mit einem massiven Eichenstuhl am Ende. Er setzte sich schwerfällig und sagte: »Lasst sie antreten.«
Jorian gehorchte. Khuravela zählte die Mädchen, schwenkte dabei den dicken Zeigefinger und bewegte lautlos die Lippen.
Schließlich sagte er: »In Ordnung. Hier ist Euer Geld. Bei zweihundertundvierzig Silbermark das Stück ergibt der Haufen sechsundneunzig mulvanische Kronen.«
Khuravela schüttete einen Haufen Münzen auf den Tisch, zählte den Betrag ab und empfing eine Quittung.
»Große Feier heute Abend. Ihr und der Doktor eingeladen, auch Euer Kapitän. Bruder Chambra, gib Strasso Bescheid. Bruder Tilakia, bring die Sklavinnen fort.« Er wandte sich an Jorian: »Zeit für Mittagsschlaf. Mehru kann Euch das Schloss zeigen. Bis in drei Stunden.«
Khuravela stemmte sich aus seinem Stuhl hoch und verschwand in einem düsteren Korridor. Die anderen Brüder zogen sich ebenfalls zurück; nur ein Mann blieb bei Jorian und Karadur.
Karadur murmelte auf Novarisch: »O Jorian, ich möchte dieses Fest nicht mitmachen. Lass mich aufs Schiff zurückkehren.«
»Was ist los? Möchtest du nicht mal zur Abwechslung ein richtiges Essen genießen?«
»Das ist es nicht. Dieser Ort hat etwas Böses.«
»Unsinn. Gewiss, das Schloss ist ein finsterer alter Steinhaufen, aber seine Bewohner kommen mir ganz normal vor.«
»Nein, ich habe ein astrales Gefühl bei solchen Dingen.«
»Ein Weilchen kannst du ruhig noch bleiben. Du kannst mich mit diesen Burschen doch nicht allein lassen!«
Der zurückgebliebene Scharfrichter, Mehru, war nur mittelgroß. Im Gegensatz zu den meisten anderen war er glattrasiert und trug keine Kapuze. Er wirkte jünger als seine Kollegen. Grinsend sagte er: »Wenn Ihr mitkommt, zeige ich Euch das Axtschloß. Ihr werdet Dinge sehen, die euch lange im Gedächtnis bleiben – Erinnerungsstücke an historische Ereignisse, die wir dank unseres mächtigen Königs – möge er ewig herrschen! – hierher mitnehmen durften.«
»Ich glaube, ich gehe lieber nicht mit, vielen Dank«, sagte Karadur. »Ich bin erschöpft. Kann ich mich hier irgendwo niederlegen?«
»Gewiss – in diese Kammer hier. Macht es Euch bequem, Doktor, während ich Herrn Maltho herumführe.«
Im Vergleich zu Khuravela war Mehru geradezu gesprächig. »Wenn Ihr genau hinschaut«, sagte er, »bemerkt Ihr den Unterschied in der Färbung zwischen den unteren und oberen Mauerteilen. Das Schloss wurde unter Cholanki III. auf den Ruinen der ursprünglichen Burg wiederaufgebaut … Dies ist unsere Küche mit den Frauen der verheirateten Brüder.«
»Seid Ihr auch verheiratet?«
»Ich? Ha! Frauen bedeuten mir nichts. Ich war mit meiner Kunst verheiratet.«
»Warum habt Ihr sie dann so jung aufgegeben?«
»Weil ich in der rechten Schulter oft Schmerzen bekam, so dass meine Hand nicht mehr so sicher war wie am Anfang. Besonders mit dem zweischneidigen Schwert, das den Edelleuten vorbehalten ist. Bei der Hinrichtung einer Frau von König Shaju – möge er ewig herrschen! – ging leider nicht alles glatt, so dass der König mich in den Ruhestand versetzte.«
Sie erreichten das Dach eines Eckturms. Mehru hob den Arm. »In dieser Richtung liegt die Mündung des Jhukna; dort befindet sich ein Piratennest. Im Sommer sehen wir ihre Galeeren wie Wasserinsekten ausschwärmen, wenn eine Handelsflotte von Vindium nach Janareth fährt. Deshalb begleitet Vindium solche Konvois neuerdings mit seinen Kriegsgaleeren.«
»Warum baut nicht auch König Shaju eine Flotte und hilft bei dem Kampf gegen diese Räuber? Warum müssen die novarischen Städte die ganze Last allein tragen?«
Mehru riss die Augen auf. »Mein guter Mann! Ein gläubiger Mulvanier soll zur See gehen? Wisst Ihr nicht, dass damit eine religiöse Verunreinigung verbunden ist, die nur durch langwierige und teure Zeremonien wieder beseitigt werden kann?«
»Aber Ihr musstet doch das Meer überqueren, um hierher zu gelangen.«
»Ah, aber das geschah nur einmal, und diese Last war gering. Doch wenn ich das Meer zu meinem Broterwerb machte, müsste ich meine ganze Freizeit an Land der religiösen Säuberung widmen. Bei Euch Barbaren ist das etwas anderes.«
»Dr. Karadur scheint nichts dagegen zu haben.«
»Das ist seine Sache. Vielleicht ist er religiös heterodox, oder seine Zaubersprüche heben die schlimmen Wirkungen der Seefahrt auf. Aber gehen wir wieder nach unten, sonst
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