Der Schnee war schmutzig
mit flehender Stimme: »Frank.«
Ohne sich um sie zu kümmern, ruft er:
»Timo, komm mal her. Wir möchten etwas Gutes essen. Zuerst eine Vorspeise. Dann Kotelett mit Pommes frites, und vor allem bring uns gleich eine Flasche Ungarwein. Du weißt schon welchen.«
Er beugt sich zu ihr hinunter und will weiter von ihrem Vater sprechen. Da klingelt das Telefon. Timo wischt sich die Hände an seiner weißen Schürze ab, geht an den Apparat und sieht dabei Frank an.
»Ja … Ja … Ich werde es schon auftreiben … Nicht zu teuer, nein, aber billig wird es auch nicht gerade sein … Wer? … ich habe ihn heute noch nicht gesehen … Aber dein Freund Frank ist hier.«
Er bedeckt die Sprechkapsel mit der Hand und sagt zu Frank: »Es ist Kromer. Willst du mit ihm sprechen?«
Frank steht auf und ergreift den Hörer.
»Du bist es? Hat es geklappt? Gut … Ja … ich gebe sie dir heute abend … Wo bist du im Augenblick? Zu Hause? … Bist du angezogen? … Ganz allein? … Es wäre gut, du besuchtest gleich mal deinen Freund Timo … Ich kann es dir nicht erklären … Wie? … Ja, so ungefähr … Nein, heute nicht. Du wirst dich mit dem Ansehen begnügen müssen … Von weitem … Nein! Wenn du dich dumm benimmst, ist alles im Eimer.«
Und als er sich wieder setzt, fragt Sissy:
»Wer war es?«
»Ein Freund.«
»Kommt er?«
»Nein.«
»Ich glaubte, du hättest ihn darum gebeten.«
»Nicht jetzt. Heute abend.«
»Hör mal, Frank.«
»Was ist denn nun schon wieder?«
»Ich möchte gehen.«
»Warum?«
Man bringt ihnen auf einem silbernen Tablett dicke Koteletts und Pommes frites. Seit Monaten, ja wahrscheinlich seit Jahren hat sie gewiß keine Pommes frites gegessen. Und erst recht keine panierten Koteletts.
»Ich habe keinen Hunger.«
»Schade.«
Sie wagt nicht zu sagen, daß sie Angst hat, aber er spürt es.
»Was ist das hier?«
»Restaurant, eine Bar, ein Nachtlokal. Alles, was man will. Das Haus des lieben Gottes. Es heißt: bei Timo.«
»Kommst du oft hierher?«
»Jeden Tag.«
Sie bemüht sich, das Fleisch zu essen, aber dann kann sie nicht mehr, legt die Gabel hin und seufzt, als wäre sie müde: »Ich liebe dich, Frank.«
»Ist das so schlimm?«
»Warum sagst du das?«
»Weil du das mit einer tragischen Miene sagst, als ob es schlimm wäre.«
Vor sich hinstarrend, sagt sie noch einmal: »Ich liebe dich.«
Am liebsten würde er ihr antworten: »Ich dich nicht.«
Aber da kommt gerade Kromer in seinem Pelz herein. Er hat eine dicke Zigarre im Mund und spielt hier wie überall den bedeutenden Mann. Als ob er Frank nicht erkenne, geht er zur Theke und setzt sich mit einem Seufzer des Behagens auf einen der hohen Hocker.
»Wer ist das?« fragt Sissy.
»Was kann dich das schon interessieren?«
Warum fürchtet sie sich instinktiv vor Kromer? Er betrachtet die beiden, sie vor allem, durch den Rauch seiner Zigarre, und als sie den Kopf über ihren Teller senkt, zwinkert er Frank zu.
Unwillkürlich hat sie zu essen begonnen, vielleicht, um sich Haltung zu geben und um Kromers Blick nicht zu begegnen. Und sie ißt so tüchtig, daß sie nichts außer den Knochen übrigläßt. Sogar das Fett ißt sie. Dann wischt sie ihren Teller mit Brot ab.
»Wie alt ist dein Vater?«
»Fünfundvierzig. Warum?«
»Ich hätte ihn für sechzig gehalten.«
Er merkt, daß sie den Tränen nahe ist und sie mühsam zurückdrängt. Er errät auch ihren Zorn, der gegen ein anderes Gefühl ankämpft, ihre Lust, ihn hier sitzenzulassen und aufrecht allein fortzugehen. Würde sie überhaupt den Ausgang finden?
Kromer, der sehr aufgeregt ist, blickt Frank immer vielsagender an.
Da nickt Frank.
Es ist abgemacht. Nun, es hilft nichts.
»Es gibt Mokkakuchen.«
»Ich habe keinen Hunger mehr.«
»Bring zwei Stück Kuchen, Timo.«
Währenddessen fährt Holst seine Straßenbahn, schiebt eine dicke Laterne vor sich her, als trüge er sie auf dem Bauch. Die Laterne wirft einen gelben Lichtschein auf den Schnee, durch den die beiden schwarzen, glänzenden Linien der Schienen laufen. Seine kleine Blechdose liegt gewiß neben dem Lenkrad. Vielleicht beißt er hin und wieder in sein Brot und kaut langsam. Seine Füße stecken in Filzstiefeln, die mit Bindfaden an den Waden festgebunden sind.
»Iß.«
»Glaubst du wirklich, daß du mich liebst?«
»Du wagst mir diese Frage zu stellen?«
»Wenn ich dich bäte, mit mir fortzugehen, würdest du es tun?«
Sie blickt ihn fest an. Sie sind zu Hause bei ihr, wohin er sie
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