Der Schneesturm
lächelte zufrieden. »Es gibt frisch gebackene Pfannkuchen. Mögen Sie?«
»Gern.«
»Mit Konfitüre, Honig oder Sahne?«
»Mit … Honig«, antwortete der Doktor, die Stirn gefurcht.
Er fühlte sich jetzt unwohl in Gegenwart dieser Frau.
Sie spielt Theater, dachte er, den heißen Tee schlürfend.
»Was macht das Wetter?«, fragte er, zum Fenster spähend.
»Besser als gestern«, erwiderte die Müllerin, ihm in die Augen sehend.
Ein starkes Weib!, dachte er, und ihr kleinwüchsiger Mann fiel ihm ein; seine Augen glitten suchend durch die Stube. Der Müller war nirgends zu sehen.
»Er schläft noch«, sagte sie, als hätte sie die Gedanken des Doktors gelesen. »Pennt seinen Rausch aus. Langen Sie zu.«
Sie legte ihm Pfannkuchen auf, rückte die Schale mit dem Honig vor ihn hin. Der Doktor ließ sich die noch warmen Pfannkuchen schmecken. Der Krächz betrat die Stube und blieb an der Tür stehen. Er war reisefertig gekleidet, die Mütze mit den Ohrenklappen hielt er in der Hand.
»Da ist er, unser Held …«, brummte der Doktor missmutig, an einem Stück Pfannkuchen kauend. »Warum hast du mich nicht geweckt?« Er schrie es fast.
»Nich geweckt? Von wegen!« Der Krächz lächelte sein Vogellächeln. »Wies hell wurde, war ich bei Euch oben.«
»Ja, und?«
»Zeit zum Aufstehn, hab ich gesagt. Drauf Ihr: Lass mich schlafen!«
Die Müllerin goss sich lachend Tee ins Schälchen.
»Ganz ausgeschlossen!«, rief der Doktor und hieb die Faust auf den Tisch.
»Gott iss mein Zeuge«, sagte der Krächz und wedelte mit der Mütze in Richtung der Ikone.
»Wahrscheinlich haben Sie gut geschlafen!«, stellte die Müllerin fest und pustete in ihr Schälchen.
Der Doktor begegnete ihrem zufriedenen Blick und sah rasch nach den anderen Leuten im Raum hin, so als suchte er ihren Beistand. Doch Awdotja, die sich am Ofen zu schaffen machte, schaute drein, als wäre sie über alles, was in der Nacht geschehen war, im Bilde, und auch ihr Mann saß in der Ecke mit einem, so schien es dem Doktor, zweideutigen Lächeln.
Wissen die etwa Bescheid?, fragte sich Doktor Garin. Ach, was schert mich das …
»Du hättest mich wach rütteln sollen«, beschied er dem Krächz nun schon in milderem Ton; immerhin musste er mit diesem Mann noch nach Dolgoje fahren.
»Schlafende zu wecken, das bring ich nich. Die tun mir leid«, bekannte der Krächz, immer noch stehend, die Hände mit der Mütze vor dem Bauch.
»Da ist was dran«, sagte die Müllerin, am Tee nippend, mit Lachfünkchen in den Augen.
»Was ist mit dem Mobil?«, wechselte der Doktor das Thema.
»Repariert. Das hält bis Dolgoje.«
»Sie haben nicht zufällig Telefon?«, fragte der Doktor die Müllerin.
»Doch, aber im Winter funktioniert es nicht.«
Sie tunkte ein Stückchen Zucker in den Tee und schob es sich in den Mund.
»Gut. Ich trinke den Tee aus und komme«, sagte der Doktor zum Krächz, als wollte er ihn aus der Stube jagen.
Wortlos ging der Krächz hinaus.
Der Doktor aß seine Pfannkuchen auf und trank Tee nach.
»Sagen Sie mal, diese schwarze Pest, wo kommt die eigentlich her?«, fragte die Müllerin, warf sich ein Stück Zucker in den Mund und schlürfte geräuschvoll Tee hinterher.
»Aus Bolivien«, brummte der Doktor schroff.
»Ach. Von so weit her? Und wie ging das zu? Wer hat sie eingeschleppt?«
»Wie so was halt passiert.«
»Vorstellen kann ich mir das alles nicht«, entgegnete die Müllerin kopfschüttelnd. »Dass die im Winter aus den Gräbern kriechen, wo die Erde steinhart gefroren ist?«
»Das Virus verändert den menschlichen Körper, die Muskelkraft nimmt extrem zu«, brummte der Doktor, ohne sie anzusehen.
»Denen wachsen Krallen, Markowna, richtige Bärenkrallen«, meldete sich der Geselle zu Wort. »Ich habs im Radio gesehen: die graben sich durch die Erde wie Maulwürfe, sogar durch gestampften Boden, kriechen raus und fallen die Menschen an!«
Awdotja schlug ein Kreuz.
Die Müllerin stellte das Schälchen auf dem Tisch ab, seufzte und bekreuzigte sich ebenfalls. Ihr Gesicht war ernst geworden, wodurch es gleich viel massiger wirkte, unattraktiver.
»Sehen Sie sich vor, Doktor«, mahnte sie.
Garin nickte. Seine Nase hatte vom heißen Tee Farbe bekommen. Er holte das Taschentuch hervor, wischte sich die Lippen.
»Die sind verdammt fies«, sagte der Geselle und wiegte den Kopf.
»Gott ist gnädig«, sprach die Müllerin mit wippender Brust.
»Ich muss«, erklärte der Doktor, die Fäuste ballend, und erhob sich.
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