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Der Schneesturm

Der Schneesturm

Titel: Der Schneesturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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Alkohol ein.
    »Dann wollen wir mal.«
    Der Doktor knöpfte Sandmanns Bluse auf, legte das Stethoskop an, zog die Stirn in Falten und lauschte.
    »Das Herz war nicht betroffen«, tat La Le Lu kund.
    »Das Herz ist in Ordnung«, bestätigte der Doktor.
    Als Nächstes tastete er die Gliedmaßen ab. Erneutes Stöhnen.
    »Arme und Beine sind heil.«
    »Wir schlugen ihn auf Kopf und Bauch«, sagte Suchtaus.
    Der Doktor schob die Bluse des Dopaminierers zurück und legte den Bauch frei. Begann ihn, die rosa Nase knapp darübersenkend, konzentriert zu betasten. Der Mann hörte nicht auf zu stöhnen.
    »Schwellungen und innere Verletzungen kann ich keine entdecken«, sagte er, bedeckte den Bauch wieder mit der Bluse und beugte sich über den Kopf. »Vermutlich liegt eine Gehirnerschütterung vor. Ist er schon länger in diesem Dämmerzustand?«
    »Seit gestern Abend.«
    »Hat er sich erbrochen?«
    »Nein.«
    Der Doktor hielt dem Liegenden Salmiakgeist vor die Nase.
    »Na komm, mein Bester.«
    Der Mann verzog schwach das Gesicht.
    »Können Sie mich hören?«
    Ein schwaches Stöhnen war die Antwort.
    »Geduld, mein Lieber. Das haben wir gleich.«
    Er holte eine Spritze hervor und eine Ampulle, rieb die tätowierte Schulter des Dopaminierers mit Alkohol ab und setzte ihm eine Spritze.
    »Gleich wird dir leichter.«
    »Warum haben Sie ihn eigentlich in den Teppich gerollt?«
    Die Dopaminierer sahen einander an.
    »Damit er seine Ruhe hat«, erwiderte Suchtaus.
    »Wie in der Wiege«, fügte Leistritt hinzu und gähnte.
    »Wir schmierten ihm außerdem die Sohlen mit Hammelfett ein«, sagte La Le Lu.
    Diese Mitteilung ließ der Doktor unkommentiert.
    Nach der Spritze röteten sich die Wangen des Mannes zusehends.
    »Können Sie Arme und Füße bewegen?«, fragte der Doktor laut.

    Sandmann wackelte mit Händen und Füßen.
    »Prima. Die Wirbelsäule ist jedenfalls heil … Wo tut es Ihnen weh?«
    Die blutverkrusteten Lippen öffneten sich.
    »Eh-oohh …«
    »Wie?«
    »Oopffhh …«
    »Der Kopf?«
    »Ah-ha …«
    »Tut es sehr weh?«
    »Ah-ha …«
    »Schwindelt Ihnen?«
    »Ah-ha …«
    »Ist Ihnen übel?«
    »Ah-ha …«
    »Der lügt doch!«, rief Suchtaus erbost. »Er hat die ganze Zeit kein einziges Mal gekotzt.«
    Der Doktor untersuchte den Kopf des Mannes.
    »Keine Brüche, nur Hämatome. Halswirbel o.   B.«
    Er holte Jod hervor und behandelte die Schrammen im Gesicht des Verletzten. Dann trug er Ringelblumensalbe auf.
    »Metalgin plus und viel Ruhe«, wies der Doktor an und richtete sich auf. »Und heiße flüssige Nahrung.«
    Leistritt nickte.
    »Wir dachten schon, er stirbt uns weg«, sagte La Le Lu.
    »Es besteht keine Lebensgefahr.«
    Die Dopaminierer lächelten erleichtert.
    »Sag ich doch!«, griente Leistritt. »Haben Sie Metalgin dabei?«
    »Ich kann Ihnen fünf Tabletten dalassen.«
    »Ergebensten Dank, Herr Doktor«, sagte Suchtaus mit einer leichten Verbeugung.

    Der Doktor kramte die Tabletten hervor, drückte eine heraus, winkte ein Mädchen heran.
    »Ein Glas Wasser!«
    Das Mädchen goss ein, der Doktor legte dem Patienten die Tablette auf die Zunge und gab ihm zu trinken. Der Mann verschluckte sich.
    »Ganz ruhig … Das Ärgste haben Sie hinter sich«, besänftigte ihn der Doktor.
    Er hielt die Hände über das Becken, das Mädchen goss Wasser darüber. Der Doktor rieb sich die Hände, ließ die aufgekrempelten Ärmel herab.
    »Das hätten wir.«
    Sein Herz klopfte in süßer Vorfreude. Doch er war bestrebt, sich nichts anmerken zu lassen.
    »Setzen Sie sich«, lud Leistritt ein und deutete mit dem Kopf auf den freien Platz am Tisch.
    Der Doktor ließ sich im Schneidersitz nieder.
    »Das Produkt!«, befahl Leistritt.
    Zwei an der Filzwand sitzende Mädchen klappten eine flache Truhe auf und entnahmen ihr eine glasklare Pyramide. Exakt so eine, wie sie gestern auf der verwehten Straße im Weg gelegen und dem Mobil vom Krächz die Kufe gespalten hatte.
    Ach. So ist das! Dem Doktor ging ein Licht auf.
    Er begriff, was der Dopaminierer in der Teppichrolle verloren und wofür er Prügel gefangen hatte.
    Und nicht nur eine! Wahrscheinlich die ganze Packung! Das muss ein Vermögen wert sein!, ging es ihm durch den Kopf.
    Der Doktor schaute auf die Pyramide, die das Mädchen behutsam in die Mitte des Tisches gestellt hatte. Zwei frühere Produkte der Dopaminierer hatte er probiert: eine Kugel und einen Würfel. Sie waren nicht durchsichtig gewesen und höchstens halb so groß.

    Wieso bin ich nicht darauf gekommen,

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