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Der Schneesturm

Der Schneesturm

Titel: Der Schneesturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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knarrten.
    »Hü-hü-ü-ü-üh!«, brüllte der Doktor und lachte.
    Das Mobil fuhr.
    »Na also! Vergiss die Wölfe!« Der Doktor boxte den Krächz in die Seite.
    »Sie haben sich berappelt!« Der Krächz lächelte mit dicker Lippe.

    Langsam durchquerten sie das weiße Land. Trotz der Verwehungen war die Straße gut zu erkennen, zog sich als Band zum dunklen Horizont.
    »Vergiss die Wö-hölfe«, trällerte der Doktor vor sich hin und klopfte auf den Schenkeln den Takt dazu.
    Er war guter Dinge.
    Die Pferdchen legten allmählich an Tempo zu.
    »Na also! Na also! Na also!« Zufrieden klatschte der Doktor sich immer wieder auf die Schenkel.
    Sie durchfuhren ein Gehölz, dann kamen sie erneut aufs weite weiße Feld. Der Mond leuchtete.
    »Warum ziehen die so lahm?«, fragte der Doktor und piekte dem Krächz den Ellbogen in die Hüfte. »Fütterst du sie nicht genug?«
    »Ich füttre sie ausreichend, der Herr.«
    »Treib sie ein bisschen an, lass sie sausen wie der Wind!«
    »Ganz sind die über den Schreck noch nich weg!«
    »Das sind wohl sehr zartbesaitete Fohlen, deine Pferde?«
    »Fohlen? Schon lange nicht mehr.«
    »Warum sind sie dann so lahm? Treib sie an!«
    »Hü! He-hopp!«, rief der Krächz und zerrte an den Zügeln.
    Die Pferde wurden geschwinder. Aber dem Doktor war das nicht genug.
    »Die kriechen ja wie die Schnecken! He-hopp! Hoppa, hoppa!« Er klopfte gegen die Kaube.
    »Hü-üh! He-hopp, ihr Lieben!«, rief der Krächz und pfiff gellend.
    Die Pferdchen legten noch einen Zahn zu.
    »Na also. Na also!«, freute sich der Doktor. »Jetzt haben wirs gar nicht mehr weit. He-hopp! Hoppa!«
    »Hü-üh!«, rief der Krächz und schnalzte.

    Ihm war daran gelegen, seine Pferdchen im besten Licht zu zeigen. Auch wenn er wusste, dass die Müdigkeit ihnen in den Knochen saß.
    Ein bisschen Auslauf am Ende schadet nichts, dann wird ihnen warm!, dachte er, der in sich noch die wonnige Hitze vom Alkohol spürte.
    »Gib ihnen die Peitsche!«, verlangte der Doktor. »Und überhaupt, was versteckst du sie noch? Rappeln da wie die Mäuse in der Rumpelkammer! Nimm endlich den Sack runter!«
    Stimmt, die Matte kann ab!, dachte der Fuhrmann. Schneit ja nich mehr, und kalt isses auch nich sehr … Geschickt kletterte er bei voller Fahrt nach vorn, schnallte die Matte los, rollte sie ein.
    Der Doktor sah die Pferderücken im Mondlicht glänzen. Die reinsten Spielzeugpferdchen.
    Der Doktor zerrte die Peitsche aus dem Futteral.
    Soll er, dachte der Krächz und schritt nicht ein.
    Der Doktor erhob sich ein wenig vom Sitz, holte aus und ließ die Peitsche auf den Rücken der Pferde niedergehen.
    »Hü!«
    Die Pferde liefen schneller.
    Noch ein Hieb.
    »Hü-ü-ü-h!«
    Erschrocken aufschnaubend, legten die Pferde sich ins Zeug. Ihre Beine flogen, die Kruppen schaukelten, sie erschienen dem Doktor wie ein wogendes Meer. Im Oktober war er mit Nadine in Jalta gewesen, sie hatten das Meer gesehen; zum Baden konnte er sich damals nicht entschließen, er hatte am Ufer gestanden und auf die Wellen gesehen, während Nadine in ihrem gestreiften Badeanzug ihn immerzu ins Wasser zu locken suchte; sie hatte ihn einen Hasenfuß genannt.

    »Hü!«
    Er peitschte die Pferde so hart, dass ein Schauer über die Kruppen ging.
    Sie stürmten drauf zu. Das Mobil flog nur so übers Feld.
    »Juhu! So muss es sein!«, brüllte der Doktor dem Krächz ins Ohr.
    Die frostige Luft schlug ihnen ins Gesicht. Der Krächz tat einen Pfiff und noch einen.
    Die Pferde tobten, das Mobil jagte dahin, der Schnee zischte unter den Kufen.
    »Ja-a-h! So ist es gut!« Der Doktor ließ sich zurück auf den Bock fallen, schwang die Peitsche. »Das nenn ich eine zügige Fahrt!«
    Der Krächz pfiff sich eins, während er routiniert das Lenkscheit betätigte. Auch ihm gefiel die wilde Jagd. Noch drei Werst, so wusste er, und sie waren in Dolgoje. Das Feld endete, zu beiden Seiten tauchte junger Fichtenwuchs auf. Die hübschen, schneegeschmückten Bäumchen säumten den Weg.
    »Hoppa-ah! Volles Rohr!«, brüllte der Doktor und schwang die Peitsche über den Pferden so ungestüm, dass der Kneifer ihm von der Nase flog.
    Das Mobil fegte durch die Schonung. Der Krächz sah einen kleinen, steilen Hügel näher kommen, zügelte die Pferde jedoch nicht.
    »Da hüpfen wir drüber!«
    Das Mobil raste auf den Buckel zu. Heftiges Rütteln setzte ein, dann krachte es, und die Reisenden wurden vom Sitz in den Schnee geschleudert. Das Mobil klemmte in arger Schräglage auf dem Buckel fest.

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