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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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wenn er nicht schlafen kann.»
    Wir kamen in die Mitte des Hofes, und im Mondlicht konnte ich sie nun deutlicher sehen. Zu meiner Überraschung war ihr Gesicht ruhig und heiter. Ihr Ausdruck verriet leichte Müdigkeit, aber nichts von der nervösen Spannung, unter der sie — wie ich glaubte — litt, seit sie die Wahrheit über Pauls Gesundheitszustand erfahren hatte. Sie warf neuerlich einen Blick auf sein Fenster, machte dann kehrt und hängte sich in mich ein.
    «Legen wir uns ins Gras», schlug sie vor. «Ich möchte gerne mit dir sprechen. Hast du was dagegen?»
    «Ich wüßte nicht, was mir lieber wäre.»
    Wir gingen zu der Rasenfläche vor dem Arbeitszimmer. Ich holte ein paar Decken und Kissen und meinte, wir sollten uns lieber darauflegen als direkt ins Gras. Kuniang folgte meinem Rat und dankte zerstreut. Ihre Gedanken waren sichtlich woanders. Aber als ich mich auf der Decke ausgestreckt hatte, setzte sie sich dicht neben mich, mit einem Seufzer, der nach Erleichterung klang.
    «Wie gut, daß mir Onkel Podger deine Anwesenheit verraten hat», sagte sie. «Ich bin so froh, daß ich dich habe, mit dem ich reden kann.»
    «Ich war sicher, du würdest dich kränken», erwiderte ich. «Es handelt sich um Paul, nicht wahr?»
    «Ja. Ich kränke mich schrecklich seinetwegen. Ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll. Deshalb war ich nicht imstande einzuschlafen.»
    «Ich weiß nicht recht, was du mit ihm machen könntest», gab ich zurück. «Hier kann wohl niemand helfen.»
    «Daß die Ärzte ihm nicht helfen können, stimmt. Aber gerade deshalb müßte ich tun, was ich kann, um ihn glücklich zu machen. Er hat sich irrsinnig in mich verliebt.»
    «Das war allerdings zu merken. Und du?»
    «Zuerst habe auch ich geglaubt, ihn zu heben und niemanden als ihn. Aber jetzt tut er mir bloß entsetzlich leid, und ich habe ihn gar nicht mehr wirklich lieb. Wie eine Kerze, die man angezündet und sofort wieder ausgeblasen hat. Ich verstehe mich nicht, und es ist abscheulich und niederträchtig von mir.»
    Das hatte ich nicht erwartet. Aber wenn ich mit Kuniang sprach, kam es nur selten so, wie ich erwartet hatte. Nach einer Sekunde setzte sie fort:
    «In den ersten Tagen, als mir allmählich klar wurde, was vorging, war ich glücklich wie noch nie. Im siebenten Himmel. Paul sprach zwar nicht von seiner Liebe, aber er versuchte auch nicht, sie zu verbergen. Dann kam der Augenblick, da ich von seinem Gesundheitszustand erfuhr. Mir ist, als wären Jahre seither vergangen. Und dabei war es vorgestern abend. Paul saß in meinem japanischen Zimmer, und wir sprachen von seinem Traum. Er sagte, er wolle den Abt bitten, daß er ihn wieder von mir träumen lasse; er wolle jeden Tag den Lamatempel auf suchen und dort schlafen. Der Abt sollte ihm ein neues Traumleben schenken: ein neues Leben mit mir.
    Ich fand den Einfall reizend. Aber Paul gebärdete sich so feierlich, daß ich lachen mußte. Dann fragte ich ihn:     Mir erging es wie einer Blume, die ein kalter Wind zum Welken bringt. leb weinte, trocknete mir die Augen und weinte wieder. Paul küßte mich, er versuchte mich zu trösten und machte sich Vorwürfe, daß er gesprochen hatte.
    Um Mitternacht verließ er mich. Ich entkleidete mich, zog den kurzen Kimono an, setzte mich vor den Spiegel und bürstete mir die Haare. Aber die ganze Zeit glaubte ich, Paul zu sehen, wie er allein in seinem Zimmer sitzt und darüber nachdenkt, daß er mich liebt und ich ihn und daß er bald sterben muß. Ich habe von europäischen Mädchen gehört, die sich Männern hingaben, knapp vor dem Abmarsch an die Front. Und doch drohte keinem dieser Soldaten so sicher der Tod wie Paul. Ich hatte das Gefühl, ich müsse mich ihm geben/weil er mich so sehr liebt. Diese Nacht und noch vielleicht viele Nächte könnten wir zusammen sein. Und sein Ende wäre glücklicher um meinetwillen.»
    «Du kannst ihn heiraten, Kuniang», sagte ich, «auch jetzt noch, wenn das euren Wünschen entspricht.»
    «Ja, auch daran habe ich gedacht. Aber wichtig ist nur, daß ich

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