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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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leise, als fürchte er, sie in ihrer Konzentration zu stören.
    Aber die Frauen waren offenbar nicht halb so empfindlich wie Pendel, denn sie blickten alle sofort von ihrer Arbeit auf und bedachten Osnard mit breitem, taxierendem Grinsen.
    »Die Knopflöcher eines Maßanzugs, Mr. Osnard, sind so wichtig wie der Rubin an einem Turban, Sir«, verkündete Pendel noch immer mit sehr leiser Stimme. »Dorthin fällt der Blick, ein solches Detail spricht für das Ganze. Gute Knopflöcher machen keinen guten Anzug. Aber schlechte Knopflöcher machen einen schlechten Anzug.«
    »Um den guten alten Arthur Braithwaite zu zitieren«, ergänzte Osnard ebenso leise.
    »Ja, Sir, sehr richtig. Und der Taguaknopf, der in Amerika und Europa vor der bedauerlichen Erfindung des Plastiks weithin gebräuchlich war und meiner Meinung nach nie übertroffen wurde, ist dank P & B wieder als krönende Zier des maßgeschneiderten Anzugs im Einsatz.«
    »War das auch Braithwaites Idee?«
    »Der Gedanke stammte von Braithwaite, Mr. Osnard«, sagte Pendel und ging an der geschlossenen Tür der chinesischen Jackettschneiderinnen vorbei, die er auf keinen Fall stören wollte. »Die Ausführung rechne ich mir als Verdienst an.«
    Aber während Pendel sich alle Mühe gab, den Schwung beizubehalten, wollte Osnard die Sache offenbar langsamer angehen, denn jetzt legte er einen kräftigen Arm an die Wand und versperrte Pendel den Weg.
    »Sie sollen ja seinerzeit auch Noriega eingekleidet haben. Stimmt das?«
    Pendel zögerte und sah instinktiv den Flur hinunter auf Martas Küchentür.
    »Und wenn schon«, sagte er. Für einen Augenblick wurde seine Miene mißtrauisch und hart, seine Stimme mürrisch und tonlos. »Was hätte ich denn machen sollen? Den Laden dichtmachen? Nach Hause gehen?«
    »Was haben Sie denn für ihn gemacht?«
    »Der General war nicht das, was ich einen geborenen Anzugträger nenne, Mr. Osnard. Aber wenn es um Uniformen ging, da konnte er tagelang über jede Einzelheit nachgrübeln. Ebenso, wenn es um Stiefel und Kopfbedeckungen ging. Aber so sehr er sich auch dagegen gesträubt hat, bei manchen Anlässen ist er an einem Anzug nicht vorbeigekommen.«
    Er wandte sich ab, zum Zeichen, daß er den Gang durch den Flur fortsetzen wollte. Doch Osnard nahm den Arm nicht weg.
    »Was für Anlässe?«
    »Nun, Sir, zum Beispiel, als er die Einladung für seine gefeierte Rede an der Harvard Universität erhalten hatte, Sie erinnern sich vielleicht, auch wenn man sich in Harvard nicht so gern daran erinnern mag. Er war schon eine ziemliche Herausforderung. Das reine Nervenbündel bei den Anproben.«
    »Wo er jetzt ist, braucht er keine Anzüge mehr, möchte ich meinen.«
    »Nein, gewiß nicht, Mr. Osnard. Dafür ist gesorgt, habe ich mir sagen lassen. Ein anderer Anlaß war, als Frankreich ihm die höchste Ehrung erwies und ihn zum Légionnaire ernannte.«
    »Womit soll er das denn verdient haben?«
    Die Deckenbeleuchtung im Flur machte aus Osnards Augen Einschußlöcher.
    »Dazu fallen einem mehrere Erklärungen ein, Mr. Osnard. Die gängigste ist, daß der General, und zwar aus finanziellen Erwägungen heraus, der französischen Luftwaffe erlaubte, Panama als Zwischenstation auf dem Weg zu den unpopulären Atomversuchen im Südpazifik zu benutzen.«
    »Wer sagt das?«
    »Damals hat es zahllose wilde Gerüchte um den General gegeben. Nicht alle seine Gefolgsleute waren so verschwiegen wie er selbst.«
    »Die Gefolgsleute waren auch Ihre Kunden?«
    »Und sind es noch immer, Sir, noch immer«, antwortete Pendel, nun wieder ganz heiter gestimmt. »Unmittelbar nach der amerikanischen Invasion hatten wir eine gewisse Durststrecke, als einige höhere Beamten des Generals sich gezwungen sahen, für eine Zeitlang im Ausland zu weilen; doch sind sie bald zurückgekommen. In Panama verliert man seinen guten Namen nicht, jedenfalls nicht für längere Zeit, und die panamaischen Gentlemen geben ihr Geld nur ungern im Exil aus. Hierzulande läßt man Politiker nicht fallen, man recycelt sie lieber. Auf diese Weise bleibt keiner allzu lange draußen.«
    »Und Sie waren nicht als Kollaborateur oder so was abgestempelt?«
    »Offen gestanden, es war kaum noch jemand da, der diesen Vorwurf hätte erheben können, Mr. Osnard. Gewiß, ich habe dem General einige Kleider angefertigt. Aber die meisten meiner Kunden hatten einiges mehr auf dem Kerbholz.«
    »Und die Proteststreiks? Haben Sie da mitgemacht?«
    Wieder ein nervöser Blick Richtung Küche, wo Marta

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