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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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möge.
    Sein Wagen stand draußen. Er würde daheim erklären, er sei in irgendwelche Feiern wegen dieser Friedensgeschichte in München geraten. Er würde im Blackfriars Hospital erklären... o Gott, was würde er denn erklären? Er wünschte, er hätte Zeit für ein Bad. Er mußte irgendwie einen Bissen Frühstück erwischen. Dann plötzlich erinnerte er sich auch an die Restaurantrechnung. Ein ganz und gar verheerender Abend.
    Oder doch nicht?
    Am selben Nachmittag hielt Graham in der Bond Street, um eine Brosche mit Diamanten und Saphiren zu kaufen. Er sandte sie an Stella mit einer Karte, auf die er schrieb, er würde sterben, wenn er sie nicht Wiedersehen könne. Der offensichtlich horrende Preis des Schmucks nahm sogar die Sekretärin für ihn ein.
    Plötzlich erinnerte er sich, daß er schon über einen Monat wieder zu Hause und noch immer nicht in Sussex gewesen war, um Maria zu besuchen.

31

    Eric Haileybury führte ein Leben, das er für das eines Gentleman hielt. Er hatte ein kleines, quadratisches, steingebautes Haus hinter der Upper Richmond Road, in einem winzigen Garten, wo selbst die Lorbeerbüsche aussahen, als wären sie täglich abgestaubt und vom Londoner Ruß befreit worden. Er war sechsundvierzig und noch unverheiratet. Es hatte einige schattenhafte Liebschaften gegeben, die vielversprechendste mit einer Fürsorgerin vom King Alfred’s Hospital, die er ein- oder zweimal zu nahrhaften und nüchternen Gelagen im Trocadero eingeladen hatte. Aber er unterließ es, sie einzuladen, mit ihm auf handgreiflichen Weiden zu grasen. Ehe bedeutete sexuelle Verantwortung, die er nicht zu übernehmen bereit war. Der Gedanke widerstrebte ihm. Er konnte keinerlei Anreiz darin sehen, einen Teil seiner selbst einem dunklen weiblichen Schlauch zu überlassen, der von zuckenden Muskeln und anderen Schläuchen von unangenehmer exkretorischer Funktion umgeben war. Das mochte nicht gerade die allgemeine Ansicht sein, war aber nicht zu ändern. Er entschied sich dafür, sich von seiner jüngeren Schwester den Haushalt führen zu lassen, die ihn zärtlich liebte. Sie war wohl völlig normal an Männern interessiert, doch beschränkten sich deren Avancen zu ihrem Bedauern auf ihre Träume, da sie ihrem langen, dünnen, knochigen großhändigen Bruder nur allzu ähnlich sah.
    Haileybury fuhr einen Morris mit 10 PS, rauchte nie, trank nur wenig Wein, begnügte sich mit einer frugalen Tafel und unterhielt sich damit, drei- bis viermal im Sommer Henry Wood beim Dirigieren der Promenadenkonzerte in der Queen’s Hall und dem jungen Compton auf Lord’s Kricketplatz beim Spiel zuzuschauen. Während Graham seinen Schöpferdrang in der Malerei befriedigte, machte Haileybury Modelleisenbahnlokomotiven. Nichts beruhigte ihn so sehr, wie in Hemdsärmeln an seiner Drehbank zu stehen, den süßen Geruch warmen Schmieröls zu riechen und Metallspäne unter seinen Füßen knacken zu hören. Er hatte Dutzende Modelle, von Stephenson’s Rocket bis zum Coronation Scot, jedes einzelne mit der gleichen Präzision ausgeführt wie seine Operationen. Sie standen überall im Haus herum, und seine Schwester fand, daß sie furchtbar viel Arbeit beim Abstauben machten.
    Wie Graham beobachtet hatte, mußte solche Abstinenz im Laufe der Jahre ihr Mal auf jedem Menschen hinterlassen. Haileybury wurde dünner, die Sehnen an seinem Hals waren unter der Haut über seinem steifen weißen Kragen sichtbar wie Trossen unter
    Segeltuch. Seine Ansichten waren ebenso ausgetrocknet. Seine Vorträge erstickten die Zuhörer unter Strömen sorgfältig angeordneter Tatsachen bis zu gelegentlicher Bewußtlosigkeit. Seine Doktrin der plastischen Chirurgie blieb so streng wie je, eingeschlossen in die leuchtenden, wenn auch profitlosen Prinzipien «konstruktiver Operationen für angeborene Mißbildungen, Verbrennungen oder Unfälle.
    Kosmetische Chirurgie war in seinen Augen Teufelswerk. Wenn wir die Gesichter, die uns die Natur geschenkt hatte, nicht schön fänden, so seien sie nur zu unserer Prüfung gesandte Versuchungen, die mit der gleichen Langmut getragen werden sollten wie andere, schrecklichere Mißstände, nicht aber wie schlecht passende Kleider ausgetauscht werden dürften. Er stritt bei jeder Gelegenheit mit Graham. «So können wir also sagen, Trevose», bemerkte er, als Graham eine erfolgreiche Nasenplastik an einer jungen Jüdin mit Schauspiel-Ambitionen vorführte, «daß Sie die Dame nicht nur in eine Schönheit, sondern auch für immer in einen

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