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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Tisch mit der Messingplatte um. «Es ist nur fair zu sagen, daß ich immer hörte, Trevose sei seiner Gattin gegenüber höchst aufmerksam.»
    Haileybury gehörte zu der gefährlichsten Sorte von Gegnern: zu den selbstgerechten.
    «Ehrlich gesagt, ich kann das nicht glauben.» Lord Cazalay strich wieder seinen Schnurrbart. «Das Übel lag daran, daß er einer ganzen Menge anderer Damen ebenfalls seine Aufmerksamkeit schenkte. Ich ließ es mir angelegen sein, das herauszufinden.»
    «Ich glaube, es gab irgendeinen Skandal mit seiner Sekretärin. So bedauerlich das ist, war es doch kaum der erste der Harley Street. Ich möchte bezweifeln, ob die Affäre Trevoses Gewissen belastet.»
    «Und was ist mit dieser Stella Garrod?» begehrte Lord Cazalay aggressiv auf. «Sie wissen doch, die Schauspielerin. Seit Monaten läuft er hinter ihr her wie ein kleiner Hund. Es ist ekelhaft. Meine Schwester könnte genausogut tot und begraben statt in der Blüte ihrer Jahre eingesperrt sein. Und hier ist der springende Punkt.» Er klopfte mit seinem rundlichen Zeigefinger auf den Messingtisch. «Er hat diese Person Garrod operiert. Ich weiß nicht warum, irgendeine Gesichtsspannung, würde ich denken. Das ist regelwidrig, nicht wahr? Höchst regelwidrig. Ich könnte ihm die größten Schwierigkeiten mit den Behörden machen. Er wäre disqualifiziert. Disqualifiziert!»
    Lord Cazalays fette, stark gefärbte Wangen bebten. Er wollte Grahams Blut. Allerdings weniger aus brüderlicher Liebe zu Maria als aus Erinnerung an die vergangene Glorie der Familie, die in ihrer eingeschrumpften und geistlosen Gestalt verkörpert war. Er konnte sich nicht an der ganzen Welt rächen, ein Mensch mußte genügen.
    Haileybury legte seinen knochigen Finger aneinander und blies zart auf seine Nägel.
    «Warum kamen Sie zu mir ?» fragte er noch einmal, äußerst irritierend.
    «Weil der Mann ein verdammter Schuft und ein Schandfleck für Ihren Stand ist.» Da dies seinen Gastgeber nicht zu befriedigen schien, fügte Lord Cazalay mit leiserer Stimme hinzu: «Und meine Anwälte sagen mir, Sie kennen ihn seit vielen Jahren.»
    «Ihre Anwälte haben Ihnen auch gesagt, daß ich eine starke Abneigung gegen ihn hege?»
    Das fette Gesäß seines Besuchers rutschte verlegen auf dem Stuhl umher.
    «Sie nehmen auch an, daß meine Position in der Ärzteschaft einer Beschwerde vor dem General Medical Council unwiderstehliches Gewicht verleihen würde? Und zweifellos auch, daß ich vielleicht zu den Kosten beitragen würde?»
    «Es besteht keine Frage, daß Sie aus eigener Tasche zuschießen müßten», sagte Lord Cazalay unbehaglich.
    Haileybury erhob sich. «Also gut, Lord Cazalay. Ich werde die Sache überdenken.»
    «Sicherlich, sicherlich.» Er brannte darauf, Haileybury zu entkommen, sobald es die Höflichkeit irgend erlaubte. «Vielleicht würden Sie die Güte haben, mich in meiner Londoner Wohnung anzurufen.»
    «Ich denke, ich würde es vorziehen, mich mit Ihren Anwälten in Verbindung zu setzen.»
    Haileybury ließ sich Zeit zu seinem Entschluß. Er wollte es nicht riskieren, irgendeinen Fehlschlag hinnehmen und im geringsten lächerlich erscheinen zu müssen. Er würde den Boden vorsichtig ebnen müssen. Standeswidriges Verhalten mußte auf gedeckt und bestraft werden, wer immer der Schuldige sein mochte, ob Trevose oder ein weniger aufdringlicher Kollege. Es war die Pflicht jedes ehrlichen Arztes. Aber er sagte sich, die Pflicht dürfe nie von der Befriedigung eines persönlichen Antagonismus befleckt werden. Überdies hatte er nach zehnminütiger Bekanntschaft eine noch größere Abneigung gegen Lord Cazalay gefaßt.
    Mitte Juni sprach er in Tom Raleighs neuer Praxis in der Welbeck Street vor. Tom hoffte verzweifelt, der Besuch könnte ein Angebot überschüssiger Fälle oder sogar eine Partnerschaft bringen. Im Sommer fiel die medizinische Praxis im eleganten London immer wie der Wasserstand der Flüsse auf dem Land, im Sommer 1939 aber schien sie völlig austrocknen zu wollen. Wo die Ärzte versagt hatten, die Gemüter von den Krankheiten eines Menschenlebens abzulenken, hatten die Diktatoren Erfolg gehabt. Tom Raleigh hatte beschlossen, sogar den August in der Stadt zu verbringen, in der Hoffnung, daß ein oder zwei gute Fälle vom Tisch eines reichen, Urlaub machenden Chirurgen fallen könnten. Er würde mit seiner Familie im September Urlaub machen, wenn die Strände weniger übervölkert und auch billiger waren. Er genoß den Luxus seiner Freiheit von

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