Der Schönheitschirurg
Graham, mußte aber erkennen, daß er der kostspieligste seines Lebens war.
Haileybury setzte sich und fragte sofort: «Darf ich mich nach dem Stand Ihrer gegenwärtigen Beziehungen zu Trevose erkundigen?»
Tom ballte und öffnete seine kleinen Fäuste nervös. «Warum fragen Sie?»
«Würden Sie mir erlauben, das zu erklären, nachdem ich Ihre Antwort gehört habe?»
«Meine Beziehungen zu Graham existieren nicht. Wir könnten zwei Fremde sein. Wenn wir uns treffen, ignoriert er mich einfach.»
«Wären Sie dann bereit, mir im Vertrauen einige Mitteilungen über seine Privatangelegenheiten zu machen? Mitteilungen, die nur Sie wissen können?»
Tom zögerte. «Ich kann nicht sagen, daß ich es gern täte. Was immer unsere Differenzen sein mögen, ich habe eine ganze Weile für ihn gearbeitet. Er war in vieler Hinsicht sehr fair zu mir. Das muß ich wohl sagen.»
«Ich akzeptiere das. Aber dies ist eine Sache, die weniger Sie und mich betrifft, als den Stand als Ganzes. Ich werde Ihnen kurz sagen, was ich wissen möchte. Erstens, hat er ein Verhältnis mit der Schauspielerin Stella Garrod? Zweitens, hat er sie operiert?»
«Es ist wohl allgemein bekannt, daß er ihr an der Klinik eine Auroplastik machte. Ich nehme an, es ist ebenfalls allgemein bekannt, daß er mit ihr ausgeht. Ich glaube, es waren sogar Bilder in der Zeitung. Aber... also, woher soll ich wissen, ob eine intimere Beziehung besteht?»
«Im Gegensatz zu der weitverbreiteten Meinung...» Haileybury lächelte ein wenig. «Vielleicht einer gefährlich weit verbreiteten Meinung, muß standeswidriges Verhalten keineswegs das sein, wofür dieses Wort zu euphemistisch völlig zu Unrecht bei Gericht verwendet wird. Eine bloße Beziehung kann genug sein. Im übrigen kennen wir schließlich Trevose, nicht wahr? Ich bezweifle stark, ob er das Gras unter sich wachsen läßt. Im Privatleben nicht mehr als im Berufsleben.»
Tom verschränkte seine Hände fest vor der Brust. Er hatte einen so großen Teil seines Lebens zu Grahams Füßen kniend verbracht, daß ihm diese Haltung Gelenksteife verursachte. Angenommen, der Mann würde wirklich vor das General Medical Council zitiert und in aller Öffentlichkeit als Arzt vernichtet? Es war nicht mehr, als er verdiente. Außerdem - ein anderer Gedanke kam ihm. Einige von den Fällen, die jetzt in Grahams Hände strömten, würden in seine eigenen abgeleitet werden. Eine attraktive Möglichkeit. Sie könnten es sich leisten, das Dienstmädchen wieder einzustellen.
«Ja, natürlich geht er mit dieser Frau ins Bett», sagte er schnell zu Haileybury. «Ich komme oft an ihrer Wohnung in der Brook Street vorbei. Sie liegt an meinem Heimweg. Sein Wagen ist bis Gott weiß wann dort geparkt. Überhaupt hat er damit vor John Bickley geprahlt. Und es ist ohnedies typisch. Erst war es seine Sekretärin, dann irgendein Mädchen, das für uns fotografierte, dann eine mit einem französischen Namen... ja, und noch eine, die er operiert hatte, Exzision eines Keloids am Kinn.»
Haileybury nickte. «Wären Sie bereit, das zu bezeugen?»
Tom zögerte wieder. «Ja. Ich wäre bereit.» Er machte eine Pause. «Haben Sie aber die Wirkung auf seine Gattin überlegt? Sie ist ohnedies eine kranke Frau. Wenn all das herauskäme?»
«Nach meinen Erkundungen muß ich Ihnen mit Bedauern sagen, daß seine Frau nicht mehr versteht, was in den Zeitungen steht.»
«Oh. Ich verstehe. Es tut mir leid, daß es ihr schlechter geht.» Tom lächelte schief. «Wenn es von irgendeinem Interesse ist: Sie war ebenfalls seine Patientin, bevor Trevose sie heiratete.»
Haileybury verfiel in Schweigen. «Nein», entschied er. «Ich denke, in diesem Fall ist nichts dagegen einzuwenden.»
Er war schon seit zwanzig Minuten gegangen, als sich Tom endlich darüber klar wurde, daß diese letzte Bemerkung nicht als Scherz gemeint war.
32
Haileybury war von der Aussicht auf neue, beunruhigende, aber erregende Pflichten so abgelenkt, daß der ganze Sommer verging, ehe Grahams Missetaten auf Anwaltssprache reduziert, auf breite Bogen bestes Papier geschrieben und mit roten Bändern gebündelt zur Absendung an den Registrar des General Medical Council in der Hallam Street mit seinen Empfehlungen bereit waren. Der Registrar würde das Bündel zweifellos den Anwälten des Council für die ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen übergeben. Haileybury machte sich vor, daß es ihm völlig gleichgültig war, welche Schritte man dann ergreifen würde. Er gab lediglich
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