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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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versprach das Meer, ruhig zu sein, er würde in eine Decke gewickelt im Liegestuhl sitzen, Camel-Zigaretten rauchen und über das Leben im allgemeinen nachdenken. Es gab auch reichlich Stoff zum Nachdenken, da ja Hitler und Mussolini ungehindert rasten. Graham fühlte, daß die Welt für ihn zu schnell wurde. Vielleicht war er mit Dreiundvierzig schon wie die Mitglieder seines Klubs - er war einem der besten in St. James beigetreten -, verzweifelnde alte Herren, deren Geist von den eleganteren Formen der Vergangenheit geprägt war. Zumindest war sein Privatleben jetzt anspruchslos einfach.
    Jeannine war vor Jahren von der Ehe verschluckt worden. Dann kam Annie, ein lebhaftes junges Ding, weder reich noch intelligent, die sich fast zu Tode gehungert hatte, um wegen einer Narbe an ihrem Kinn, die nach einer Verbrennung mit dem Badezimmerofen von häßlichem Keloidgewebe überwuchert war, als Privatpatientin zu ihm zu kommen. Maria hätte sie als Frau der Arbeiterklasse bezeichnet, sie war Verkäuferin für Kunstbücher in einem Geschäft in der Charing Cross Road. Dieses gemeinsame Interesse führte Graham in das Geschäft und sie selbst später in das Landhaus in Dorset. Sie hatte, was die Kopulation betraf, einen schier unstillbaren Wissensdurst und fragte ihn gründlich über technische Einzelheiten wie Erektionen und Ejakulationen, Orgasmen und Ovulationen aus, sogar über Imprägnation und Insufflation. Er hatte das Gefühl, daß sie seinen Erklärungen nie recht folgte, aber das machte kaum etwas aus. Annie mochte in der Theorie schwach sein, in der Praxis konnte man ihr ein glänzendes Zeugnis ausstellen. Gelegentlich überlegte er, daß sein Verhalten mit Annie genaugenommen seinem Berufsethos widersprach. Er hatte das Mädchen operiert, das mußte er zugeben, doch fand er, daß man das kaum als Arzt-Patient-Beziehung bezeichnen könne. Er war ja nicht ihr Hausarzt, der jahraus, jahrein ihre Gesundheit überwachte. Überdies, sagte er sich, war die Narbe wirklich sehr klein gewesen.
    Nachdem Annie entschwunden war, ließ Grahams blühende Privatpraxis ihm kaum Zeit noch Energie, einen Ersatz zu finden. Es war irgendwie erfrischend, wie die Befreiung von einem andauernden Juckreiz, einmal nicht in eine Liebschaft verwickelt zu sein. Er hatte nichts zu lieben als seine Arbeit, und seine Arbeit belohnte ihn freundlicher als irgendeine Frau. Was Edith betraf, war sie zum Ausgangspunkt zurückgekehrt und tippte für einen Anwalt in Gray’s Inn. Maria ging es gut, sie nahm sogar zu und bekam jeden Samstag ihren Obstkorb.
    Graham kuschelte sich in die Decke seines Strecksessels und schlug Margaret Mitchells «Vom Winde verweht» auf, das seiner Ansicht nach selbst eine Seereise nach China überdauern würde. Keine Liebschaften mehr, keine Aufregungen mehr, bloß Arbeit und die risikolose Entspannung des Malens.
    Bis zur Cocktailparty in der Kabine des Kapitäns hatte er keine Ahnung, daß Stella Garrod an Bord war. Er hatte nicht die Absicht gehabt, hinzugehen, da er von erfahreneren Passagieren gehört hatte, es sei eine langweilige Angelegenheit, doch fiel es ihm immer schwer, Einladungen abzulehnen. Der Kapitän empfing ihn mit goldenen Tressen und steifem Hemd, ein überraschend kleiner Mann, wie Graham fand, um ein so großes Schiff zu befehligen. Die anderen Gäste, vermutlich Geschäftsleute, waren erst nüchtern geistlos und später betrunken noch geistloser. Er wollte eben gehen, als Stella Garrod erschien - oder eher wie eine Granate von einem vorbeifahrenden Kriegsschiff in die Kabine explodierte.
    Sie kam spät. Sie kam immer spät. Für einen Stern von Bühne und Film ist die Zeit etwas, das andere nach seinen eigenen Himmelsbewegungen errechnen dürfen.
    «Mein Gott, es tut mir leid, es ist wirklich schrecklich von mir, ich hatte keine Ahnung, wie spät es ist.» Sie überflutete den kleinen Kapitän mit überschwenglichen Entschuldigungen. «Der Tag fliegt dahin wie ein Traum, wenn man von Morgen bis Abend überhaupt nichts zu tun hat. Je regrette mille fois, mon cher capitaine, je suis désolée. Ja, bitte, Gin, von Champagner wird mir gewaltig übel.» Sie schüttelte sich, als ein zweiter Steward mit einem Tablett herankam, Kaviar hatte offenbar eine ähnlich pathologische Wirkung. «Dieses Wetter! So heiß und stickig. Mein Gott, ich wünschte, ich wäre eine Möwe! Wie wundervoll, die Flügel auszubreiten und quer über den Ozean zu fliegen. Haben Sie keine Camels? Ich rauche nur Camels.

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