Der Schrei der Engel: Thriller (German Edition)
ihre Dienstmarken vorzeigen konnten.
»Es geht um Rebecca, oder? Ist sie mit Danny in irgendwelche Schwierigkeiten geraten?« Trotz der Kühle blieb sie mitten im Türrahmen stehen und bat die Polizisten nicht herein.
»Könnten wir vielleicht reinkommen, Miss Jarvis?«, fragte Radick.
Ohne ein Wort trat Helen Jarvis zurück und führte sie ins Wohnzimmer.
Parrish fragte sie nach ihrer Beziehung zu Rebecca und ob sie eine Angehörige wäre.
»Nein«, erwiderte sie. »Ich kannte ihre Eltern … vor vielen Jahren natürlich. Sie sind tot, wissen Sie. Wirklich tragisch. Ein Autounfall, und beide auf der Stelle tot. Nun ja, Danny war damals achtzehn und Becky elf Jahre alt.«
»Und seitdem wohnt sie bei Ihnen?«, fragte Parrish.
»Ja.«
»Und Sie sind ihr gesetzlicher Vormund?«
Helen Jarvis warf ihm einen unbehaglichen Blick zu. »Ich bekomme Schwierigkeiten, oder?«
Parrish runzelte die Stirn.
»Das Jugendamt?«
»Tut mir leid, ich verstehe nicht, was Sie meinen, Miss Jarvis.«
»Ich wusste, dass es so kommen würde. Eines Tages musste es passieren, oder?«
»Was, Miss Jarvis? Was musste passieren?«
»Dass herauskommt, dass ich nicht ihr gesetzlicher Vormund bin. Ich meine, ich konnte doch nicht zulassen, dass Danny sich um sie kümmert, oder? Er war damals schon … nun ja, er hatte genug mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen. Er brauchte kein kleines Mädchen, das ständig um ihn herum war, oder? Und außerdem hatte er kein Geld. Das bisschen, das er hatte, ging für die Rechnungen und Gott weiß was drauf. Das Jugendamt kam zu mir und fragte, ob Danny für seine Schwester sorgen würde. Er war damals bereits achtzehn Jahre alt und kam juristisch gesehen dafür infrage. Ich habe ihm geraten zu sagen, er würde sich um sie kümmern. Die Leute vom Jugendamt zogen ab und waren froh, ein Problem weniger zu haben. Dann hab ich Danny gesagt, er soll sie bei mir lassen. Er zog nach Brooklyn, und sie blieb hier.«
»Wissen Sie, dass sie seit einer Woche nicht mehr in der Schule war, Miss Jarvis?«
Helen Jarvis senkte den Kopf.
»Ja«, erwiderte sie, »das weiß ich.«
»Haben Sie keine Vermisstenanzeige aufgegeben?«
»Am Dienstag rief ich in der Schule an. Der Direktor rief mich zurück und sagte, sie wäre am Freitag zuletzt zum Unterricht erschienen. Daraufhin verständigte ich die Polizei hier im Viertel, und man sagte mir, ich müsste achtundvierzig Stunden warten, ehe ich eine Vermisstenanzeige aufgeben könnte. Schließlich war es Donnerstag, und ich dachte, ich könnte noch einen einzigen Tag abwarten. Aber dann war der Donnerstag auch vorbei. Ich versuchte, Danny telefonisch zu erreichen, doch er meldete sich nicht, sodass ich schon überlegte, nach Brooklyn zu fahren und nachzusehen, ob sie bei ihm war.
Sie hat es schon öfter gemacht, verstehen Sie? Zu Danny zu flüchten … bestimmt ein halbes Dutzend Mal, aber sie kommt immer wieder nach Hause. Ich nehme an, so ist es auch diesmal. Ich dachte, ich lasse ihr bis Samstag Zeit zum Anrufen. Ich wusste ja, sie würde sich irgendwann melden, und das wird sie auch. Sie wird anrufen und mir erzählen, was passiert ist. Dann wird es ihr leidtun wegen der Sorgen, die ich mir um sie gemacht habe. Sie ist wirklich ein gutes Mädchen. Und Danny steht ständig unter Strom, verstehen Sie? Danny ist immer aufregend, hat immer irgendwas am Laufen, aber ich glaube nicht, dass er einen guten Einfluss auf sie ausübt – nicht dass er ein schlechter Mensch wäre, natürlich nicht. Sie sollen nicht denken, dass er in irgendeiner Weise ein schlechter Mensch ist, aber ich halte es nicht für gut, dass Rebecca so zu ihm aufschaut. Es ist auch nicht so, dass sie nicht auf sich aufpassen könnte. Sie ist weit für ihr Alter, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und ich vertraue ihr. Ich vermute einfach, dass sie wieder zu Danny abgehauen ist …«
»Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
»Am Montagmorgen. Früh. Sie ging zur Schule wie gewöhnlich.«
»Und an ihrem Verhalten war nichts ungewöhnlich? Sie haben nichts bemerkt, was anders war als sonst?«
Helen Jarvis schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste, nein. Ich meine, sie ist ein Teenager, und ich weiß, dass Teenager manchmal schwierig sein können …«
»Miss Jarvis«, unterbrach Radick sie, und in diesem Augenblick begriff Parrish, dass sie Bescheid wusste.
Sie wussten immer Bescheid. Wenn die Polizei an ihrer Haustür auftauchte, wussten sie Bescheid. Wenn der Streifenwagen vor ihrem Haus
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