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Der Schrei des Löwen

Der Schrei des Löwen

Titel: Der Schrei des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ortwin Ramadan
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schattigen Platz um. Er musste sich unbedingt ein wenig ausruhen. Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Sollte er versuchen ihrenLkw einzuholen? Oder war es doch besser, hier nach Chioke weiterzusuchen?
    Frustriert griff Yoba in seine Hosentasche. Noch besaß er drei Dollar, und wenn er es geschickt anstellte und sparte, konnte er davon eine Woche überleben. Wie auf Kommando meldete sich sein leerer Bauch mit einem energischen Knurren. Yoba wurde sich bewusst, dass er seit dem frühen Morgen nichts mehr gegessen hatte. Die Datteln, die ihm der alte Madugu mit auf die Reise gegeben hatte, waren längst aufgegessen. Da er jetzt unbedingt Kraft brauchte, um seine Suche fortzusetzen, beschloss er einen Teil des Geldes in einen Teller dicke Bohnen zu investieren. Einen kleinen Stand, der warmes Essen verkaufte, hatte er bereits entdeckt. Plötzlich stutzte er.
    Auf der anderen Seite der sandigen Gasse stützte sich eine gekrümmte Gestalt an der Lehmwand ab und schlurfte langsam vorwärts. Sie hielt etwas vor den Bauch gedrückt. Yoba sprang auf die Füße. Es gab keinen Zweifel: Das da drüben war Mary! Er erkannte die junge Mutter sofort an dem ungewöhnlichen Blumenmuster ihres Wickelrocks wieder.
    Er rannte zu ihr. »Mary!«, rief er aufgeregt. »Ich bin’s! Yoba!«
    Die gekrümmte Gestalt reagierte nicht. Erst als Yoba sie eingeholt hatte und am Arm berührte, blieb sie stehen und drehte sich um. Yoba erschrak. Dieser Mensch hatte nur noch wenig Ähnlichkeit mit der hübschen jungen Frau, die er vor zwei Wochen auf der Ladefläche des Lastwagens kennengelernt hatte. Mary umklammerte das Bündel mit ihrem Baby und starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Ihr Gesicht war voller Schmutz und ein penetranter Gestank ging von ihr aus.
    »Mary!«, versuchte Yoba es erneut. »Erkennst du mich dennnicht? Ich bin’s, Yoba! Mein Bruder und ich waren auf dem gleichen Laster wie du!«
    Mary kicherte wirr und drückte ihr Baby noch fester an sich. Yoba war verzweifelt.
    »Weißt du, wo mein Bruder ist? Ich muss ihn finden!«
    Mary schlug um sich und fing an zu schreien. Sie wollte weglaufen, aber nach wenigen Metern landete sie in den Armen von zwei Polizisten.
    »Haben wir dich endlich, Frau!«, sagte der größere der beiden. Er war dünn wie eine Bohnenstange. »Du kommst jetzt mit. Also, sei vernünftig!«
    Er packte Mary grob am Handgelenk. Sie wollte sich losreißen, und als ihr das nicht gelang, versuchte sie den Mann zu beißen. Der zweite Polizist eilte ihm zu Hilfe.
    »Bitte!«, flehte Yoba die Polizisten an. »Lasst sie! Sie weiß vielleicht, wo mein Bruder ist! Bitte!«
    Die Polizisten beachteten ihn gar nicht. Stattdessen entrissen sie Mary grob ihr Bündel.
    »Aber … aber das Baby!«, stotterte Yoba.
    »Das Baby ist schon lange tot. Und jetzt hau ab! Sonst kannst du die Verrückte hier begleiten!«
    Yoba war unfähig sich zu rühren. »Was … was ist denn mit ihr passiert?«
    »Ihr Lkw ist überfallen worden«, erklärte der kleinere der Polizisten. Er war jünger und hatte offenbar mehr Mitleid mit Mary als sein Kollege. »Die Banditen haben sie vergewaltigt und dann ist auch noch ihr Baby gestorben. Seitdem hat sie den Verstand verloren.«
    »Und … was wird jetzt aus ihr?«, wollte Yoba wissen.
    »Die anderen auf dem Laster haben sie hiergelassen. Siewollten sie nicht länger mitnehmen.« Mary strampelte und der Polizist versuchte sie festzuhalten. »Wir haben Befehl, sie von der Straße zu holen, weil sich die Dorfältesten beschwert haben.«
    »Was geht dich das überhaupt an?«, schnauzte sein Kollege Yoba an. Er drehte Mary den Arm auf den Rücken. Sie schrie. »Ist sie vielleicht eine Verwandte von dir?«
    »Nein, nein!«, wehrte Yoba entgeistert ab. »Wir haben uns nur vor einiger Zeit getroffen.«
    Mary tat ihm wirklich leid, aber wie sollte er ihr helfen? Schließlich besaß er weder einen Ausweis noch genügend Geld, um die Polizisten vielleicht bestechen zu können und Mary freizukaufen.
    Er schluckte. »Ich … ich suche meinen kleinen Bruder. Haben Sie ihn vielleicht gesehen? Er trägt ein Barcelona-Trikot.«
    Yobas Hoffnung erstarb augenblicklich, denn der junge Polizist schüttelte nur den Kopf. »Tut mir leid, Kleiner. Und jetzt geh woanders betteln!«
    »Du könntest in den Salzgärten nachsehen!« Sein hagerer Kollege grinste gehässig. »Dort arbeiten viele Jungen.«
    Dann drückte er Mary den verdrehten Arm ins Kreuz und stieß sie vorwärts. Völlig verstört sah Yoba dabei

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